Paul-Ehrlich-Institut

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Stel­lung­nah­me des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts (PEI) zur Si­cher­heit von Pool-Throm­bo­zy­ten­kon­zen­tra­ten (PTK) und Aphe­re­se-Throm­bo­zy­ten­kon­zen­tra­ten (ATK)

Thrombozytenkonzentrate sind Konzentrate der für die Blutstillung wichtigen Thrombozyten (Blutplättchen) und werden als Arzneimittel zugelassen. Sie können aus den Vollblutspenden von vier bis fünf Spendern hergestellt oder von einem Einzelspender durch maschinelle Zellauftrennung (Apherese) gewonnen werden. Wie bei allen durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zugelassenen Arzneimitteln wird ihre Sicherheit streng überwacht. Pool-Thrombozytenkonzentrate (PTK) und Apherese-Thrombozytenkonzentrate (ATK) werden weltweit als Behandlungsoptionen betrachtet und eingesetzt, wobei die Anteile der zur Behandlung eingesetzten ATK und der PTK in den einzelnen Ländern variieren. Die Unterschiede in den Anteilen von ATK bzw. PTK in der Patientenversorgung sind durch unterschiedliche Versorgungsstrategien und nationale Besonderheiten begründet.

Seit Erfassung der Zahlen gemäß §21 Transfusionsgesetz (2000–2011) wurden in Deutschland rund 1,90 Millionen PTK (38%) und 3,09 Millionen ATK (62%) hergestellt. Von speziellen Anwendungen abgesehen wird der Therapieeffekt von ATK und PTK von der Bundesärztekammer insgesamt als gleichwertig angesehen (Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten, 4. Auflage 2008).

Aus der Auswertung der zwischen 1997 und 2012 tatsächlich beobachteten, sehr geringen Anzahl von Infektionen nach Thrombozytenkonzentrat-Gabe in Deutschland ergibt sich ein sehr geringes Risiko, das sich zwischen PTK und ATK nicht unterscheidet.

Nach einer von PEI und Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführten Modellierung, die einige jedoch nicht alle relevanten Einflussgrößen auf das Risiko der Übertragung bekannter Erreger durch ATK im Vergleich zu PTK berücksichtigt, ergibt sich derzeit ein theoretischer Unterschied zwischen PTK und ATK. Da für unbekannte Erreger keine Aussage über deren Ausbreitungsmuster im Voraus gemacht werden kann, ist aus dieser Erkenntnis keine Vorsorgemaßnahme ableitbar.

Aus der Sicht des PEI sind daher nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse beide in Deutschland zugelassenen Thrombozytenkonzentrate sicher.

Modellierung plausibler Einflussgrößen auf das Infektionsrisiko nach Gabe von Thrombozytenkonzentraten

Da PTK aus vier bis fünf Spenden hergestellt werden, ergibt sich rein rechnerisch bei PTK-Gabe relativ zu einer ATK-Gabe ein vier- bis fünffach erhöhtes Risiko, dass Infektionen durch bekannte oder auch durch noch unbekannte Erreger übertragen werden könnten. Aus der Registrierung der tatsächlich beobachteten Übertragungen viraler Infektionserreger (Auswertung der zwischen 1997 und 2012 tatsächlich beobachteten, sehr geringen Anzahl von Infektionen) ergibt sich ein etwa gleiches, sehr geringes Risiko für die PTK- versus ATK-Gabe (s.u.).

Zur theoretischen Abschätzung des Risikos einer Infektionsübertragung durch ATK im Vergleich zu PTK wurde zusätzlich eine Modellierung von Einflussgrößen vorgenommen. Die im Weiteren kurz zusammengefassten Ergebnisse der Modellierung wurden bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI), Graz, 11.-14.09.2012, vorgestellt.

Experten aus dem RKI haben in Zusammenarbeit mit Experten aus dem PEI eine Modellierung durchgeführt. Epidemiologische Basis war ausschließlich die bei den Spendern beobachtete Anzahl an jährlichen Neuinfektionen mit verschiedenen Erregern. Die Spenderpopulationen für Vollblut- und Apheresespenden unterscheiden sich in verschiedener Hinsicht (z.B. Alters- und Geschlechtsverteilung) voneinander, was mit unterschiedlichen Neuinfektionsrisiken einhergeht. Nach diesen rechnerischen Abschätzungen ergäbe sich für PTK hinsichtlich des Risikos einer HIV-Übertragung auf den Empfänger eines Thrombozytenkonzentrats ein im Vergleich zu ATK 2,2-faches, bei Hepatitis C (HCV) ein 2,7-faches und bei Hepatitis B (HBV) ein 3,2-faches Risiko. Für einen unbekannten Erreger, für den (noch) keine Testmöglichkeit besteht, ist das relative Risiko schwer voraussagbar und hängt u.a. von Verbreitungsmuster und Inkubationszeit ab. Bei einem neuen Erreger, der zunächst vor allem bei jungen Männern in Ballungsgebieten aufträte, ergab sich aus der Modellierung kein Risikounterschied zwischen ATK und PTK.

Von 1997 bis 2012 beobachtetes Infektionsrisiko nach Gabe von Thrombozytenkonzentraten

Modellierungen können einen Beitrag zur kontinuierlichen Abschätzung eines Risikos leisten. Wenn allerdings Arzneimittel wie ATK und PTK seit vielen Jahren in großer Zahl angewendet werden, kann man anhand der Zahl der tatsächlich beobachteten Übertragungen von Infektionen durch reale Daten gestützte Aussagen zur Sicherheit machen. Dem PEI müssen gemäß §63c AMG alle schwerwiegenden Transfusionsreaktionen (wie z.B. die Übertragung von unerkannt im Blut von Spendern vorhandenen Krankheitserregern) unverzüglich gemeldet werden. Das PEI veröffentlicht diese Daten in einem Hämovigilanzbericht (http://www.pei.de/haemovigilanzbericht). Diese in Deutschland erhobenen Daten zeigen von Januar 1997 bis September 2012 kein höheres Infektionsrisiko von PTK im Vergleich zu ATK, wie nachfolgend aufgeführt:

  • Transfusionsbedingte virale Infektionen:
    Bei jeder Blutspende werden hochempfindliche Tests auf die relevanten Viren HIV, HCV und HBV durchgeführt. Virusübertragungen kommen nur noch in den sehr seltenen Einzelfällen vor, wenn trotz dieser Tests eine Infektion beim Spender unentdeckt bleibt. Dies kann beispielsweise geschehen, wenn die Infektion noch sehr frisch ist, sodass der Spender sich im diagnostischen Fenster befindet. Zwischen Januar 1997 und Ende 2011 wurden dem PEI insgesamt acht Fälle transfusionsbedingter viraler Infektionen nach Gabe von Thrombozytenkonzentraten gemeldet (fünf HBV-Infektionen und drei HCV-Infektionen). Insgesamt wurden sieben Fälle durch ATK verursacht und einer durch PTK. Nur einer der sieben Fälle (eine HBV-Infektion durch ein ATK) wurde nach 2004 gemeldet - ein Erfolg von Maßnahmen zur Risikovorsorge, die das PEI verbindlich angeordnet hat.
    Insgesamt sind also Virusinfektionen durch PTK und ATK so selten, dass der mittels der Modellierung mathematisch abgeschätzte Unterschied des relativen Risikos (s.o.) zwischen den Jahren 1997 und 2012 nicht beobachtet werden konnte Dies ist möglicherweise auch darauf zurück zu führen, dass das Modell noch nicht alle Risikofaktoren angemessen berücksichtigt.
  • Transfusionsbedingte bakterielle Infektionen:
    Von Januar 1997 bis Ende 2011 wurden vom PEI insgesamt 55 Fälle einer transfusionsbedingten bakteriellen Infektion nach Thrombozytenkonzentraten-Gabe als bestätigt bewertet. In diesen fast 15 Jahren wurden 28 Fälle durch PTK- und 27 durch ATK-Gabe verursacht. Die Mehrzahl dieser Übertragungen ereignete sich vor 2008. Nach Einführung einer zusätzlichen Maßnahme zur Risikovorsorge im Juni 2008 wurden bis Ende 2011 drei Fälle einer bakteriellen Infektion nach PTK- sowie fünf Fälle nach ATK-Gabe bestätigt.

Die Übertragung von in Deutschland erstmals auftretenden oder auch von bisher gänzlich unbekannten Erregern durch Blutkomponenten ist nicht mit Sicherheit vollständig auszuschließen. Das PEI beobachtet in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern aufmerksam neue Entwicklungen in der Epidemiologie, passt seine Risikobewertung laufend an und ergreift, auch unter den Aspekten eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes, risikominimierende Maßnahmen. Die bisherigen Erfahrungen aus der Beobachtung von Infektionsübertragungen durch Blut sprechen insgesamt dafür, dass ATK und PTK ein vergleichbar hohes Maß an Sicherheit aufweisen.

Aktualisiert: 06.11.2012