Paul-Ehrlich-Institut

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Zur Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts möchten wir gerne statistische Informationen vollständig anonymisiert erfassen und analysieren. Dürfen wir hierzu vorübergehend einen Statistik-Cookie setzen?

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit in unserer Datenschutzerklärung widerrufen.

OK

In­for­ma­ti­on des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts zu Fäl­len von Dar­min­va­gi­na­ti­on nach Imp­fung ge­gen Ro­ta­vi­rus-Ga­stro­en­te­ri­tis

Am 07. Mai 2015 hat der "Haut Conseil de la Santé Publique" die Empfehlung zur Impfung gegen Rotavirus-Gastroenteritis im Rahmen der Grundimmunisierung von Kindern zurückgenommen. Dieser Entscheidung war eine Information auf der Homepage der französischen Zulassungsbehörde (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé, ANSM) vom 31. März 2015 zu den aus Frankreich gemeldeten Verdachtsfällen von Darminvagination nach Rotavirusimpfung voraus­gegangen. Der Haut Conseil de la Santé Publique weist Ärzte darauf hin, dass, sofern Rotavirusimpfungen an einzelnen Kindern weiterhin durchgeführt werden, die Zulassungsbedingungen beachtet und die Eltern über das mögliche Risiko einer Invagination informiert werden sollten.

Darminvagination ist definiert als Einstülpung eines proximalen (oberen) in den distalen (unteren) Darmanteil. Zu den Risikofaktoren für das Auftreten einer Invagination gehören Virusinfektionen mit Vergrößerung der Peyer-Plaques, vermehrte Darm­motilität und anatomische Besonderheiten wie z.B. ein Meckel-Divertikel. Eine rasche Reposition durch den Arzt führt in der Mehrzahl der Fälle zur Heilung. Bei komplizierteren Verläufen kann eine Operation notwendig werden.

Invagination ist eine insgesamt seltene Erkrankung, die insbesondere bei Kindern innerhalb des ersten Lebensjahres vorkommt. Die Häufigkeit (Inzidenz) beträgt in Deutschland ca. 60 – 100 Fälle auf 100.000 Säuglinge innerhalb des ersten Lebensjahres.

Daten aus Beobachtungsstudien zur Sicherheit, die in mehreren Ländern durchgeführt wurden, zeigen, dass Rotavirus-Impfstoffe mit einem erhöhtem Risiko für eine Invagination hauptsächlich innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung verbunden sind. In den USA und Australien wurden bis zu sechs zusätzliche Fälle pro 100.000 Säuglingen pro Jahr bei einer Hintergrundinzidenz von 33 bis 101 Fällen pro 100.000 Säuglingen (unter einem Alter von einem Jahr) pro Jahr beobachtet. Es gibt nur begrenzte Hinweise darauf, dass es ein gering erhöhtes Risiko nach der zweiten Dosis gibt. Es bleibt unklar, ob Rotavirus-Impfstoffe die Gesamtinzidenz der Invagination basierend auf längeren Nachbeobachtungszeiten beeinflussen.

In Deutschland wird die Rotavirusimpfung seit August 2013 als Standardimpfung bei kleinen Kindern von der Ständigen Impfkommission empfohlen.

Dem Paul-Ehrlich-Institut sind bis heute aus Deutschland 82 Meldungen einer bestätigten Invagination in unterschiedlichen zeitlichen Zusammenhang mit einer Rotavirusimpfung berichtet worden. In 68 Fällen konnte der Gesundheitszustand wiederhergestellt werden. Bei 12 Kindern (neun männlich, drei weiblich) musste im Rahmen einer Operation eine partielle Darmresektion vorgenommen werden (ein Stück des Darms operativ entfernt werden). Bei fünf dieser Kinder lagen neben der vorausgegangenen Rotavirus-Impfung Risikofaktoren für eine Invagination vor: zweimal ein Meckel-Divertikel, einmal eine kongenitale mesenteriale Lücke, einmal ein Lymphom und einmal ein Tumor an der Bauhin'schen Klappe. Sieben Patienten entwickelten typische Zeichen und Symptome einer Invagination innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung, zwei Kinder zwischen dem 8. und dem 14. Tag nach der Impfung und je ein Kind 29, 37 und 48 Tage nach der Impfung.

In zwei weiteren Fällen war zum Zeitpunkt der Meldung der Gesundheitszustand noch nicht wiederhergestellt bzw. lagen keine Informationen über den Ausgang vor. Eine Invagination mit tödlichem Ausgang wurde nicht berichtet.

Die Häufigkeit von Invaginationen erreicht in einem Alter von 6,4–12,5 Monaten einen Gipfel. Um das Risiko für eine Invagination gering zu halten, sollte daher das in den jeweiligen Fachinformationen empfohlene Alter für die Impfungen unbedingt eingehalten werden.

Für Rotarix besteht die Grundimmunisierung aus zwei Dosen. Die erste Dosis kann ab einem Alter von sechs Wochen gegeben werden. Zwischen den einzelnen Dosen ist ein Zeitabstand von mindestens vier Wochen einzuhalten. Die Impfserie sollte vorzugs­weise vor dem Alter von 16 Wochen verabreicht werden, muss aber auf jeden Fall bis zum Alter von 24 Wochen abgeschlossen sein.

Für Rotateq besteht die Impfserie aus drei Dosen. Die erste Dosis kann ab Vollendung der 6. Lebenswoche, sollte jedoch nicht später als vor Vollendung der 12. Lebenswoche verabreicht werden. Ein Abstand von mindestens vier Wochen zwischen den einzelnen Dosen sollte eingehalten werden. Die Grundimmunisierung mit drei Dosen sollte vorzugsweise bis zur Vollendung der 20. bis 22. Lebenswoche abgeschlossen sein, jedoch nicht später als bis zur Vollendung der 32. Lebenswoche.

Darüber hinaus sollten Kinderärzte Eltern unbedingt darüber aufklären, dass eine Invagination im zeitlichen Zusammenhang mit einer Rotavirus-Impfung auftreten kann und wie man diese frühzeitig erkennt. Zu den Symptomen einer Invagination gehören krampfartige Bauschmerzen, Nahrungsverweigerung, Erbrechen, ungewöhnliches Schreien und vor allem Absetzen von blutigem Stuhl. Schwere Verläufe können durch eine möglichst frühzeitige Behandlung vermieden werden.

Das Paul-Ehrlich-Institut initiiert eine deutschlandweite epidemiologische Studie, um die Risikofaktoren einer Darminvagination weiter zu erforschen.

Aktualisiert: 11.05.2015