Paul-Ehrlich-Institut

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Be­kannt­ma­chung über die Zu­las­sung von Arz­nei­mit­teln - Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken Stu­fe II - Än­de­rung des Be­schei­des über die An­ord­nung des Aus­schlus­ses von Blut­spen­dern zur Ver­hin­de­rung ei­ner mög­li­chen Über­tra­gung des West-Nil-Vi­rus durch nicht pa­tho­gen-in­ak­ti­vier­te Blut­kom­po­nen­ten - Vom 22. Ja­nu­ar 2014

Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger BAnz AT 07.03.2014 B6

Nach schriftlicher Anhörung des Paul-Ehrlich-Instituts vom 10. April.2013 ergeht an die pharmazeutischen Unternehmer, die zelluläre Blutprodukte und therapeutische Einzelplasmen und lyophilisierte Plasmen in den Verkehr bringen, folgender Bescheid.

Der Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts vom 02. September 2003 wird wie folgt abgeändert:

  1. Bei der Herstellung von Vollblut, zellulären Blutkomponenten und gefrorenem Frischplasma, die keinem geeigneten Verfahren zur Virusinaktivierung unterworfen wurden, darf kein Ausgangsmaterial aus Spenden verwendet werden, deren Spender sich in der Zeit vom 01. Juni bis 30. November über einen Zeitraum von mindestens 2 aufeinander folgenden Tagen in einem Gebiet mit fortlaufender Übertragung des West-Nil-Virus (WNV) auf den Menschen aufgehalten haben, wenn zwischen dem Tag der Rückkehr aus dem betroffenen Gebiet und dem Tag der Blut- oder Plasmaspende weniger als vier Wochen vergangen sind.
    Das Paul-Ehrlich-Institut benennt hierzu auf seiner Homepage die betroffenen Länder/Gebiete und wird diese Angaben jeweils am ersten Arbeitstag eines Monats in dem oben genannten Zeitraum vom 01. Juni bis 30. November aktualisieren. Die aktualisierte Liste ist dann für die Blutspendedienste verbindlich. Die Festlegung der WNV-Endemie-Gebiete stützt sich auf die Meldungen der bestätigten WNV-Übertragungen an das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), die auf dessen Internetseite (www.ecdc.europa.eu) dokumentiert werden.
  2. Falls eine Rückstellung der Spender nicht gewollt oder nicht durchführbar ist, besteht die Möglichkeit, die unter Ziffer 1 betroffenen Spender mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechnik (NAT) auf West-Nil-Virus zu untersuchen und bei negativem Testergebnis die Spenden freizugeben. Der NAT-Test muss so angelegt sein, dass eine Mindestsensitivität von 250 Kopien WNV-RNA/ml, bezogen auf die Einzelspende, erreicht wird. Für die Festlegung der Nachweisgrenze in Kopien/ml haben sich bei verschiedenen Testherstellern der "Health Canada WNV Reference Standard" oder daran kalibrierte Materialien bewährt. Dieses Referenzmaterial repräsentiert WNV der Linie 1. Der NAT-Test sollte so ausgelegt sein, dass WNV der Linie 2 gleichermaßen erfasst wird. Eine Festlegung der Nachweisgrenze in International Units (IU)/ml wird durch das PEI erfolgen, sobald ein in Entwicklung befindlicher Internationaler Standard durch die WHO bestätigt wurde.
  3. Die genannte Maßnahme wird ab dem 01. Juni 2014 verbindlich.
  4. Die mit Bekanntmachung vom 02. September 2003 getroffenen Maßnahmen bleiben hiervon unberührt.

Begründung:

Die Auflage beruht auf der Festlegung in § 36 Abs. 2 Nr.5 VwVfG in Verbindung mit § 28 Abs. 3c Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG). Bereits durch Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts vom 02.09.2003 wurde die Notwendigkeit der Rückstellung von Spendern aus West-Nil-Virus-Endemiegebieten ausführlich dargelegt. Ebenso hat die Europäische Union eine Spenderrückstellung wegen des Risikos der Übertragung dieser Infektionskrankheit durch Blutkomponenten in der Richtlinie 2004/33/EG vom 22. März 2004 festgelegt. Die Vorgabe der EG-Richtlinie wurde auf nationaler Ebene in den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) umgesetzt (BAnz Nr. 101a vom 9.7.2010).

Das Paul-Ehrlich-Institut hat sich in dem Bescheid vom 02.09.2003 unter Ziffer 2 eine Änderung bezüglich der Ausdehnung der dortigen Regelung auf weitere mögliche Endemiegebiete vorbehalten. Zur Begründung einer Rückstellung von potentiellen Blutspendern wird auf den o. g. Bescheid Bezug genommen. Die Ausdehnung der Regelung auf weitere, insbesondere europäische Gebiete wird wie folgt begründet:

In den vergangenen Jahren wurde eine zunehmende Anzahl von WNV-Infektionen beim Menschen im Mittelmeerraum (Israel, Italien, Griechenland und Nordafrika) sowie in Rumänien, Ungarn, Österreich, Russland und einigen zentralasiatischen Staaten gemeldet. Die Infektionen werden sowohl von WNV der Linie 1 wie auch der Linie 2 hervorgerufen. Bei einem kleinen Teil der Infizierten kam es zu schwerwiegenden Verläufen. Das ECDC dokumentiert mittlerweile alle von europäischen Staaten gemeldeten Fälle von autochthonen WNV-Infektionen auf seiner Internetseite (www.ECDC.europa.eu) und benennt einzelne europäische Regionen, u. a. in Griechenland, Rumänien, Österreich und Italien, in denen es zu einer Häufung von WNV-Neuinfektionen gekommen ist. In den Gremien der Europäischen Kommission wurde aufgrund der Meldedaten eine intensive Diskussion über das aktuelle Gefährdungspotential und die Einführung präventiver Maßnahmen zur Risikominimierung von West-Nil-Virus-Übertragungen durch Blutkomponenten geführt, siehe Preparedness Plan der EU vom 06. Juni 2012. Das Paul-Ehrlich-Institut ist daher mit den pharmazeutischen Unternehmern im Rahmen des Stufenplanverfahrens Stufe 1 am 16.11.2011 in einen Informationsaustausch getreten, um die Möglichkeit der Umsetzung der Richtlinien hinsichtlich der geänderten epidemiologischen Situation zu erörtern. Die Infektionsausbreitung von West-Nil-Virus auf den europäischen Kontinent ist unbestritten. Insofern wird in vollem Umfang auf die Beschreibung des aktuellen Kenntnisstandes in der Stufe 1 des Stufenplanverfahrens Bezug genommen. Der Informationsaustausch war notwendig, um u. a. die Verhältnismäßigkeit der anzuordnenden Maßnahme abschätzen zu können. Von 79 angeschriebenen Blutspende-Einrichtungen haben 36 geantwortet. Die Mehrzahl der Einrichtungen hält eine Rückstellung der genannten Spender für sinnvoll, sofern die betroffenen Regionen durch das PEI benannt werden. Bei der Durchführung einer entsprechenden Spenderrückstellung halten 19 der 36 Blutspendeeinrichtungen eine Gefährdung der Versorgungslage insbesondere für seltene Blutgruppen für möglich. Die meisten Blutspendeeinrichtungen beziehen sich hier jedoch auf eigene Schätzungen und beanspruchen keinen Überblick über die Versorgungssituation in Deutschland. Spezifische Engpässe für seltene Blutgruppen wurden dem Paul-Ehrlich-Institut auch in Zeiten mit vermindertem Spendenaufkommen bislang noch nicht berichtet. Sowohl wegen der nach §3 Abs. 2 TFG vertraglich festgelegten Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung der Blutspendeeinrich¬tungen beim Auftreten von Versorgungsengpässen als auch der alternativen Möglichkeit zur Spendertestung auf WNV Genom ist ein Gefährdung der Versorgung mit Blutkomponenten von Spendern mit selteneren Blutgruppen nicht zu erwarten.

Zu der oben genannten Maßnahme wurden die pharmazeutischen Unternehmer mit Schreiben vom 10.04.2013 angehört. Darüber hinaus fand am 16. und 17. April 2013 im Paul-Ehrlich-Institut das regelmäßige Treffen der Verantwortlichen für die Kontrolle (sachkundige Personen nach §14 AMG) aller Blutspendeeinrichtungen in Deutschland statt, bei dem die Anhörung auch Gegenstand der Tagesordnung war. Nach Erfahrungen eines Blutspendedienstes mit fast 800.000 Blutspenden pro Jahr, ist aufgrund der geplanten Maßnahme keine große Anzahl von Spenderrückstellungen zu erwarten. In den Jahren 2011 und 2012 mussten demnach insgesamt 0,11% bzw. 0,16% aller Spenden zurückgestellt werden, da sich die Spender in der Zeit von Juni bis November in Ländern bzw. Gebieten aufgehalten hatten, in denen mehr als 1 autochthoner Fall einer WNV-Erkrankung aufgetreten war. Um die Zahl der von der Rückstellung betroffenen Spender möglichst gering zu halten, wird das PEI bei den deutschen Anrainerstaaten, die jeweiligen Regionen benennen, die von der Rückstellung betroffen sind. Um andererseits die Handhabung zu vereinfachen, wird bei den übrigen betroffenen Ländern keine Differenzierung nach einzelnen Regionen vorgenommen. Ein Versorgungsengpass im Falle der Rückstellung kann somit vermieden werden. Die monatliche Aktualisierung der PEI-Homepage während der WNV-Saison orientiert sich an den Vorgaben auf der ECDC-Homepage und gewährleistet eine verbindliche Festlegung der Endemie-Gebiete. In der EU-Richtlinie (2004/33/EG Seite 9; 2.2.1) wird gefordert, Gebiete mit fortlaufender Transmission des West-Nil-Virus auf den Menschen zu benennen, bei denen eine Spenderrückstellung erfolgen soll. Auf der Liste der PEI-Homepage werden daher die ECDC-Meldungen des vorangegangenen und des aktuellen Jahres dargestellt und somit die von der Maßnahme betroffen Länder bzw. Gebiete definiert.

Den auf die Anhörung zu diesem Bescheid vorgetragenen Einwände wurde mit der beschriebenen Regelung weitgehend Rechnung getragen.

Zu der Frage, wie das Paul-Ehrlich-Institut das Risiko definieren könne, wenn bisher kein Übertragungsfall in Deutschland aufgetreten sei, ist anzumerken, dass es sich um eine präventive Maßnahme handelt, die umzusetzen ist, da sie in den genannten Richtlinien der Bundesärztekammer und der Europäischen Union vorgeschrieben wurde.

Aufgrund der vorliegenden Datenlage hält das Paul-Ehrlich-Institut die Einführung der anzuordnenden Spenderrückstellung im Hinblick auf das Risiko der Übertragung von West-Nil-Virus für angemessen und verhältnismäßig. Sollte es in Ausnahmefällen zu Engpässen kommen, bleibt den Blutspendeeinrichtungen die Möglichkeit der Testung der Spender mittels NAT vorbehalten. Die hierzu festgelegte Sensitivität der Testung ist geeignet, um einerseits die Mehrzahl der potentiell infektiösen Spenden aus der Frühphase der Infektion zu detektieren, andererseits um die Verhältnismäßigkeit, auch im Vergleich zu anderen NAT-Tests, zu wahren und die Testung von Blutspenderproben in Minipools zu ermöglichen. Das erwähnte Referenzmaterial und weitere Materialien der Linien 1 und 2 für die Untersuchung von WNV-NAT Systemen sind durch das "Istituto Superiore di Sanità, Rom Italien" über Dr. Pisani (giulio.pisani@iss.it) erhältlich. Dieselbe Einrichtung bietet zudem auch internationale Ringversuche zur WNV-NAT an.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Der Bescheid wird im Bundesanzeiger veröffentlicht und gilt zwei Wochen nach Veröffentlichung als bekannt gegeben. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, Paul-Ehrlich-Straße 51-59, 63225 Langen, schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben.

Hinweis:

Die Umsetzung der Anordnung ist dem Paul-Ehrlich-Institut, sofern noch nicht geschehen, durch Änderungsanzeige gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) unverzüglich mitzuteilen. Falls der pharmazeutische Unternehmer eine Spenden-Stammdokumentation eingereicht hat und diese vom Paul-Ehrlich-Institut bestätigt wurde, kann die Änderungsanzeige für diese Stammdokumentation erfolgen.

Langen, den 22. Januar 2014

Paul-Ehrlich-Institut
Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
Prof. Dr. Klaus Cichutek

Aktualisiert: 10.03.2014