Paul-Ehrlich-Institut

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Deutsch­land­wei­te Nar­ko­lep­sie-Stu­die

Epidemiologische Studie zu den Risikofaktoren von Narkolepsie sowie zur Narkolepsieinzidenz in Deutschland im Zeitverlauf

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Hinweise aus Schweden und Finnland auf ein erhöhtes Risiko für Narkolepsie nach Pandemrix-Impfung bei Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren sowie die in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle zum Anlass genommen, in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) eine epidemiologische Studie zu den Risikofaktoren von Narkolepsie sowie zur Narkolepsieinzidenz in Deutschland im Zeitverlauf durchzuführen.

Das Studiendesign des ersten Teils der Untersuchung entsprach einer hersteller­unabhängigen, durch das PEI gesponserten multizentrischen retrospektiven gematchten Fall-Kontroll-Studie.

Im zweiten Teil der Studie sollten aussagefähige Daten zur Inzidenz von Narkolepsie in Deutschland in verschiedenen Altersgruppen für den Zeitraum 2007-2011 erhoben werden.

Die deutschlandweite Narkolepsie-Studie wurde in schlafmedizinischen Zentren durchgeführt und umfasste das gesamte Bundesgebiet.

Aktueller Stand

TEIL 1: Fall-Kontroll-Studie zu Risikofaktoren von Narkolepsie in Deutschland

Hintergrund

Im Zuge der Influenzapandemie 2009/2010 wurden die Ergebnisse einiger Studien publiziert, die auf ein erhöhtes Risiko für Narkolepsie nach Impfung gegen die pandemische Influenza A/H1N1/v mit einem AS03-adjuvantierten Impfstoff hinwiesen. Das Hauptziel des Teils 1 der vom PEI durchgeführten Studie bestand darin, Risikofaktoren für Narkolepsie zu identifizieren, vor allem hinsichtlich der Rolle von Infektionen (saisonale und pandemische Influenza) und Impfungen (insbesondere der Impfung gegen die pandemische Influenza A/H1N1pdm).

Methoden

Zur Identifizierung von Risikofaktoren für Narkolepsie und Risikoquantifizierung wurde eine retrospektive multizentrische gematchte Fall-Kontroll-Studie durchgeführt.

In die Studie einbezogen werden konnten Patienten mit exzessiver Tagesschläfrigkeit, die im Zeitraum vom 1.4.2009 bis 31.12.2012 zur Abklärung (einschließlich multiplen Schlaflatenztest, MSLT) an ein schlafmedizinisches Zentrum überwiesen worden waren.

Ausgefüllte Erhebungsbögen wurden nach den Kriterien der Brighton Collaboration (BC) für Narkolepsie validiert. Bestätigte Fälle von Narkolepsie (Brighton Collaboration Level der diagnostischen Sicherheit 1−4a) wurden gematcht mit populationsbasierten Kontrollen nach Geburtsjahr, Geschlecht und Wohnort.

Ergebnisse

Insgesamt 103 validierte Fälle von Narkolepsie wurden mit 264 populationsbasierten Kontrollen gematcht. Die zweite Kontrollgruppe umfasste 29 Test-negative Patienten.

Studienteilnehmer, die gegen die pandemische Influenza A/H1N1pdm geimpft worden waren, hatten gegenüber nichtgeimpften Studienteilnehmern ein signifikant erhöhtes Risiko, an Narkolepsie zu erkranken [rohes Odds Ratio (cOR) 3,9 (95%-Konfidenzintervall, KI: 1,8−8,5); adjustiertes Odds Ratio (aOR) 4,5 (95%-KI: 2,0−9,9)].

Der Punktschätzer für das Odds Ratio lag etwas höher für Studienteilnehmer im Alter von 18 Jahren oder älter zum Zeitpunkt der Überweisung zum MSLT als für Minderjährige [Erwachsene: cOR 4,9 (95%-KI: 1,3−19,1), aOR 5,7 (95%-KI: 1,3−24,1); Kinder und Jugendliche: cOR 3,5 (95%-KI: 1,3−9,1), aOR 4,0 (95%-KI: 1,4−11,1)].

Schlussfolgerungen

Die Studie weist bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen auf ein erhöhtes Risiko für Narkolepsie nach Impfung gegen die pandemische Influenza A/H1N1pdm verglichen mit Nichtexponierten hin. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit den Resultaten anderer europäischer Studien.

Weitere Informationen

Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie wurden in der Fachzeitschrift "Sleep Medicine" veröffentlicht [1].

TEIL 2: Studie zur Erhebung der Narkolepsie-Inzidenz in Deutschland

Hintergrund

Vor der Influenzapandemie 2009/2010 lagen keine Daten dazu vor, wie viele Menschen in Deutschland jährlich neu an Narkolepsie erkranken. Ziel des Teils 2 der Studie war es, valide Schätzer für die Inzidenz von Narkolepsie in Deutschland zu ermitteln und zu untersuchen, ob und wie sich die Narkolepsie-Inzidenz in Deutschland zwischen 2007 und 2011 verändert hatte. Insbesondere stellte sich die Frage, ob die Inzidenzraten in der postpandemischen Periode im Vergleich zur präpandemischen Periode erhöht waren.

Methoden

Durchgeführt wurde eine retrospektive Untersuchung zur Inzidenz von Narkolepsie im Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2011 in Deutschland. Eingeschlossen wurden Patienten mit Erstdiagnose Narkolepsie (ICD-10-Code G47.4) im Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2011. Zur Validierung der Vollständigkeit der Fallerfassung wurde zusätzlich eine "Capture-Recapture"-Untersuchung durchgeführt. Um Inzidenzraten zwischen Untersuchungsperioden zu vergleichen, wurden "incidence density ratios" (IDR) berechnet. Mittels "Interrupted-time-series" (ITS)-Analysen wurden Unterschiede zwischen präpandemischer, pandemischer und postpandemischer Periode analysiert.

Ergebnisse

Insgesamt 342 schlafmedizinische Zentren wurden zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Von 233 schlafmedizinischen Zentren (68,1%) wurden verwertbare Informationen zur Häufigkeit von Narkolepsie-Neudiagnosen zur Verfügung gestellt.

Die teilnehmenden Zentren übermittelten Basisdaten von insgesamt 1198 Patienten. Davon waren 106 Patienten (8,8%) Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre und 1092 (91,2%) Erwachsene. Im Rahmen der Capture-Recapture-Untersuchung in Rheinland-Pfalz wurden insgesamt 80 neudiagnostizierte Narkolepsien registriert. Davon waren 36 (45%) männlich und 44 (55%) weiblich.

Bei Kindern und Jugendlichen stieg die altersstandardisierte adjustierte Inzidenzrate zwischen der präpandemischen Periode mit 0,14/100.000 Personenjahren und der postpandemischen Periode mit 0,50/100.000 Personenjahren auf über das 3-Fache an (IDR 3,57; 95%-KI 1,94–7,00). Bei Erwachsenen war keine signifikante Zunahme zu verzeichnen.

Die ITS-Analyse zeigte, dass der Anstieg der Inzidenzrate bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei unter 20-Jährigen im Frühjahr 2009 einsetzte. Ab November 2009 (Beginn der Impfkampagne) war kein weiterer signifikant ansteigender Trend festzustellen.

Schlussfolgerungen

Für die Jahre 2007–2011 konnten valide Schätzer für die Narkolepsie-Inzidenz berechnet werden. Für Kinder und Jugendliche wurde ein signifikanter Anstieg der Narkolepsie-Inzidenzraten zwischen der präpandemischen und der postpandemischen Periode beobachtet. Eine ähnliche Zunahme war weder bei Erwachsenen noch auf Populationsebene zu verzeichnen. Der Anstieg begann im Frühjahr 2009, ab November 2009 (Beginn der Impfkampagne) war kein weiterer signifikant ansteigender Trend festzustellen.

Weitere Informationen

Die Ergebnisse der Inzidenzstudie wurden in der Fachzeitschrift SLEEP veröffentlicht [2].

Kontakt

Bei Anfragen zum Thema wenden Sie sich bitte an die Pressestelle des PEI, über die die Bearbeitung Ihrer Anfrage koordiniert wird.

Pressestelle
Tel.: +49 6103 77 1030
Fax: +49 6103 77 1262
E-Mail: presse@pei.de

Literatur

[1] Oberle D, Pavel J, Mayer G, Geisler P, Keller-Stanislawski B (2017). Retrospective multicenter matched case–control study on the risk factors for narcolepsy with special focus on vaccinations (including pandemic influenza vaccination) and infections in Germany. Sleep Medicine. 34:71-83. doi: 10.1016/j.sleep.2017.02.026.
Text

[2] Oberle D, Drechsel-Bäuerle U, Schmidtmann I, Mayer G, Keller-Stanislawski B (2015). Incidence of Narcolepsy in Germany. Sleep. 38: 1619-1628. doi: 10.5665/sleep.5060.
Text

Aktualisiert: 21.11.2019