Paul-Ehrlich-Institut

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Auch EMA emp­fiehlt jetzt den so­for­ti­gen Rück­ruf des Mul­ti­ple-Skle­ro­se-Me­di­ka­ments Zin­bry­ta (Dacli­zu­mab)

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, hat Meldungen über schwere Fälle von Autoimmunreaktionen bei Patienten mit Multipler Sklerose erhalten, die mit dem Antikörper Daclizumab behandelt wurden (siehe PEI-Homepage-Meldung vom 02.03.2018). Der Zulassungsinhaber hat daraufhin mitgeteilt, eigenverantwortlich auf die Zulassung zu verzichten und einen Rückruf zu initiieren. Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat nun das Ruhen der Zulassung und den Rückruf von Zinbryta (Daclizumab) empfohlen.

Der Zulassungsinhaber von Zinbryta, Biogen Idec Ltd., hatte bereits am 01.03.2018 mitgeteilt, dass er eigenverantwortlich auf die Zulassung von Zinbryta verzichte und einen Rückruf des Arzneimittels initiiere. Nun hat auch die EMA das Ruhen der Zulassung und den sofortigen Rückruf des Multiple-Sklerose-Medikaments Zinbryta (Daclizumab) empfohlen, nachdem weltweit insgesamt zwölf Berichte über schwere entzündliche Erkrankungen des Gehirns (Enzephalitis und Meningoenzephalitis) bekannt geworden waren. Inzwischen sind vier Patienten verstorben. Die meisten Fälle traten innerhalb von acht Monaten nach Beginn der Behandlung auf.

Die derzeit verfügbare Evidenz weist auf ein Risiko für schwere entzündliche Hirnerkrankungen infolge autoimmunbedingter Reaktionen im Zusammenhang mit der Behandlung mit Zinbryta hin. Die vorliegenden Daten deuten außerdem darauf hin, dass Zinbryta mit anderen immunvermittelten Erkrankungen wie Blutbildveränderungen, Thyreoiditis oder Glomerulonephritis in Verbindung gebracht werden könnte.

Informationen für Patienten

  • Wenn Sie mit Zinbryta behandelt werden, setzen Sie sich bitte mit Ihrem Arzt in Verbindung, um Ihre weiteren Behandlungsoptionen zu besprechen.
  • Nehmen Sie keine weitere Injektion von Zinbryta vor.
  • Berichten Sie Ihrem Arzt unverzüglich, wenn Symptome wie anhaltendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Übelkeit (Schwindel), Müdigkeit, Gelbfärbung der Haut oder der Augen und Erbrechen auftreten. Diese Symptome könnten Anzeichen für eine unerwünschte Reaktion auf Zinbryta sein.
  • Ihr Arzt wird weiterhin regelmäßig bis zu sechs Monate nach Beendigung der Behandlung Ihre Leberwerte untersuchen.
  • Wenn Sie sich in einer klinischen Studie mit Zinbryta befinden, setzen Sie sich mit dem behandelnden Arzt in Verbindung.

Informationen für Angehörige der Gesundheitsberufe

  • Behandeln Sie keine neuen Patienten mit Zinbryta.
  • Kontaktieren Sie bitte so schnell wie möglich Ihre Patienten, die derzeit mit Zinbryta behandelt werden, und beenden Sie die Behandlung. Ziehen Sie alternative Behandlungen in Betracht.
  • Patienten, die die Behandlung abbrechen, sollten über einen Zeitraum von sechs Monaten nach der letzten Dosis von Zinbryta mindestens monatlich oder, sofern klinisch angezeigt, auch häufiger überwacht werden.
  • Bitte fordern Sie Ihre Patienten auf, Symptome, die auf Nebenwirkungen hinweisen können, wie länger andauerndes Fieber, starke Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gelbsucht, Übelkeit oder Erbrechen, sofort zu melden. Diese Reaktionen können bis zu sechs Monate nach Beendigung der Behandlung auftreten.
  • Ein Rückruf von Zinbryta aus Apotheken und Krankenhäusern wird in der EU erfolgen.

Eine vorangegangene PRAC-Bewertung im Jahr 2017 hatte ergeben, dass unvorhersehbare und potenziell tödliche immunvermittelte Leberschäden mit Zinbryta bis zu sechs Monate nach Beendigung der Behandlung auftreten können. Der PRAC kam zu dem Schluss, dass Patienten, die die Behandlung abbrechen, entsprechend überwacht werden sollten.

Mehr über das Arzneimittel

Zinbryta wurde 2016 zur Behandlung schubförmiger Formen der Multiplen Sklerose zugelassen. Nach einer Überprüfung der Auswirkungen des Medikaments auf die Leber im Jahr 2017 war die Anwendung des Medikaments auf erwachsene Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (RMS), die auf mindestens zwei krankheitsmodifizierende Therapien (DMT, "disease modifying therapy") nicht ausreichend angesprochen haben und bei denen eine Behandlung mit jeder anderen DMT kontraindiziert oder aus anderen Gründen ungeeignet ist, eingeschränkt worden. Bis heute wurden weltweit über 8.000 Patienten mit Zinbryta therapiert. Die Mehrheit der Patienten in der EU wurde in Deutschland behandelt.

Wirkmechanismus

Daclizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der an CD25 (IL-2Rα) bindet und dadurch die Bindung von IL-2 an CD25 verhindert. Daclizumab moduliert die IL-2-Signalübertragung, indem es CD25-abhängige, hoch affine IL-2-Rezeptorsignale blockiert; dies führt zu höheren IL-2-Spiegeln, die dann für die Signalübertragung durch den intermediär affinen IL-2-Rezeptor zur Verfügung stehen. Die Haupteffekte dieser Modulation des IL-2-Signalwegs, die potenziell im Zusammenhang mit den therapeutischen Wirkungen von Daclizumab bei Multipler Sklerose stehen, umfassen den selektiven Antagonismus von aktivierten T-Zell-Antworten und die Expansion der immunregulatorischen CD56bright natürlichen Killerzellen (NK), die nachweislich aktivierte T-Zellen selektiv reduzieren. Zugleich wird angenommen, dass diese immunmodulatorischen Effekte von Daclizumab die ZNS-Pathologie bei Multipler Sklerose verringern und dadurch das Auftreten von Schüben und das Fortschreiten der Behinderung senken.

In welcher Weise der Wirkmechanismus von Zinbryta zu den oben genannten Fällen von Autoimmunkrankheiten geführt hat, ist Gegenstand laufender Untersuchungen.

Aktualisiert: 09.03.2018