Paul-Ehrlich-Institut

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Was ’Der Spie­gel’ in sei­nem Ar­ti­kel 'Im­mun ge­gen die Imp­fung' nicht ge­schrie­ben hat: Zi­ta­te aus dem Ar­ti­kel in Heft 43/2009 mit Zu­satz­in­for­ma­tio­nen, die dort nicht zu fin­den wa­ren

Hinweis: Dies ist eine Archivinformation, hier geht es zum Überblick mit allen Informationen zur Influenza-Pandemie 2009/2010.

Zur Gefährdung durch die Schweinegrippe

Spiegel: Das Schweinegrippevirus nämlich hat sich keineswegs als jener große Killer entpuppt, der beim Ausbruch im Frühjahr in Mexiko angekündigt worden war.
Was fehlt: Noch hat nirgendwo auf der Welt die zweite Welle begonnen, von der Experten befürchten, dass sie schlimmer verlaufen könnte, als wir es bisher sehen. Mit mehr schweren Erkrankungen und mehr Todesfällen. Allein die Tatsache, dass die Schweinegrippe bisher im Frühjahr/Sommer stattgefunden hat, zu einer Zeit, in der wir sonst keine Grippe kennen, gibt Anlass zur Beunruhigung. Würde man erst dann mit Vorbereitungen von Gegenmaßnahmen beginnen, wenn diese zweite Welle bereits da ist, wäre es für viele zu spät.

In diesem Zusammenhang sollte den Kritikern ein Zitat zu denken geben, dass sich in der Ems-Zeitung von Ende Juli 1918 findet:
„Die Dauer der früheren Epidemien betrug 6 bis 8 Wochen. Es darf deshalb damit gerechnet werden, dass die Krankheit, die mittlerweile in allen europäischen Staaten eingekehrt ist, ihren Höhepunkt bei uns erreicht hat und bei günstiger und warmer Witterung mit Sonnenschein rasch wieder abnehmen wird. Jedenfalls liegt zur Beunruhigung kein Anlass vor.“ (aus: Influenza, Walter Haase (Hrsg.), Elsevier)

Einige Monate später begann die zweite Welle der so genannten 'Spanischen Grippe', die weltweit mit zahllosen Todesopfern einherging

Unterschiedliche Impfstoffe für Bundesbedienstete und Bevölkerung

Spiegel: Nicht nur für die Kanzlerin ist also ein anderes Mittel vorgesehen als für das gemeine Volk, sondern auch für die Mitarbeiter des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), die für die Zulassung von Impfstoffen zuständig sind.

Was fehlt: Hätte der Spiegel im Paul-Ehrlich-Institut nachgefragt, warum es einen Impfstoff mit Verstärker für die Bevölkerung verteidigt, seine eigenen Mitarbeiter aber (angeblich) mit Celvapan impft, dann hätte er mit einer korrekten Information aufwarten können: Schon vor über einer Woche wurde entschieden, dass diejenigen Mitarbeiter des Paul-Ehrlich-Instituts, die im Rahmen des PEI-Pandemieplans zu den vorrangig zu impfenden Personengruppen zählen, den Impfstoff Pandemrix erhalten werden. Dazu gehören neben der Leitung des Instituts u.a. Mitarbeiter aus der Impfstoffprüfung, der Arzneimittelsicherheit, der Pressestelle und verschiedenen anderen Bereichen des Instituts, die für ein reibungsloses Funktionieren auch in einer Pandemie benötigt werden.

Angebliche Skepsis der USA gegenüber Adjuvanzien

Spiegel: Ausgerechnet die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA jedoch zeigt sich bislang sehr skeptisch gegenüber den Wundersubstanzen. Kein einziger Impfstoff mit neuartigem Adjuvans ist dort bislang zugelassen. Zu groß schätzt die FDA die Gefahr überschießender Immunreaktionen ein.

Was fehlt: Ganz aktuell (am 16. Oktober) hat die US-Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung für den Impfstoff Cervarix ausgesprochen, ein Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs, der ein neuartiges Adjuvans enthält.

Es gibt zudem keine Aussage der FDA, die Gefahr überschießender Immunreaktionen werde als zu hoch eingeschätzt. Den Beweis für seine Behauptungen bleibt der Spiegel schuldig. Es gibt jedoch Aussagen der FDA, dass im Notfall durchaus die Möglichkeit gegeben ist, mit Influenzaimpfstoffen, die wie in Europa die Adjuvantien MF59 oder AS03 enthalten, zu impfen (4.1.2 Emergency Use authorisation – aus den Regulatory Considerations Regarading the Use of Novel Influenza A(H1N1) Virus Vaccines des 'Vaccines and Related Biological Products Advisory Committee' vom 23. Juli 2009).

Sinn und Nutzen des Konzepts der Musterimpfstoffe

Spiegel: So ließen sich in Europa die Verantwortlichen von Anfang an von den Versprechungen der Adjuvantien verzaubern, allen voran Johannes Löwer, in Kürze scheidender Chef des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts[…] 2005, in Erwartung einer Vogelgrippe-Pandemie, plädierte er [Johannes Löwer] dafür, zur Abwehr ganz auf Wirkverstärker zu setzen – und er kritisierte scharf den konservativen Ansatz der USA. Nur mit Hilfe eines Adjuvans könnten schnell genug ausreichend viele Dosen hergestellt werden. "Der H5N1-Impfstoff, der gerade in Amerika getestet wird, würde der deutschen Bevölkerung im Pandemie-Fall alles andere als helfen", erklärte er in der ‚Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung' – und sieht sich nun von der Realität widerlegt: In den USA läuft die Schweinegrippe-Impfaktion mit klassischen Vakzinen bereits seit zwei Wochen.

Was fehlt: Als in Europa die Entscheidung für das Konzept der Musterimpfstoffe fiel, lagen Daten aus den USA vor die zeigten, dass gegen den Erreger der Vogelgrippe mit dem Konzept der herkömmlichen Grippeimpfstoffe (wie sie in den USA derzeit auch gegen das Neue H1N1 benutzt werden) pro Impfdosis 90µg Antigen (Hämagglutinin) benötigt wurden, um überhaupt einen Schutz vermitteln zu können. Das ist pro Impfdosis sechsmal soviel wie in einem saisonalen Impfstoff und 12- bis 24-mal soviel wie in den adjuvantierten Pandemieimpfstoffen – und damit vollständig ungeeignet für eine rechtzeitige Impfung im Fall einer Pandemie.

Der Impfstoff, mit dem die USA seit zwei Wochen impfen, ist ein abgeschwächter Lebendimpfstoff, der in Europa auch als saisonaler Impfstoff bisher keine Zulassung hat. Zudem ist allein die Tatsache, dass eine Impfaktion läuft, kein Beweis für deren Qualität. Für keinen der dort eingesetzten Impfstoffe gegen die Schweinegrippe liegen Daten aus abgeschlossenen klinischen Prüfungen vor. Die Erklärung, wo der Nutzen dieser Impfstoffe für die deutsche Bevölkerung liegen soll, bleibt der Spiegel schuldig. Denn die Kritiker der in Europa zugelassenen Impfstoffe bemängeln ja unter anderem die angeblich dünne Datenlage aus klinischen Studien. Allein für Pandemrix liegen Daten aber von 5000 Probanden vor. Dazu kommen Daten von mehr als 20.000 Probanden aus klinischen Studien mit einem saisonalen Impfstoff, der den Verstärker AS03 enthält (wie in Pandemrix).

Zu den Techniken der Impfstoffherstellung

Spiegel: Inzwischen sind in Europa drei Pandemie-Impfstoffe nach diesem Verfahren endgültig zugelassen worden. Zwei davon enthalten Adjuvantien, einer wächst, auch dies ein neuartiges Verfahren, auf Zellkulturen. Keiner setzt auf altbewährte Technik.

Was fehlt: Einer der beiden adjuvantierten Impfstoffe, Focetria, enthält ein Adjuvans, das in einem saisonalen Impfstoff (Fluad) in vielen Staaten, in Deutschland seit dem Jahr 2000 (für Personen über 60 Jahre), in Italien bereits seit 1997 zugelassen ist. Dieser Impfstoff wurde weltweit mehr als 40 Millionen mal angewendet, ohne dass außergewöhnliche Nebenwirkungen auftraten. Der andere Impfstoff; Pandemrix, enthält ein Adjuvans, das bei über zwanzigtausend Menschen in klinischen Studien mit saisonalen Impfstoffen erprobt wurde, ohne dass auffällige Nebenwirkungen beobachtet wurden. Bei dem dritten Impfstoff, Celvapan, erfolgt die Vermehrung der Viren in Zellkulturen. Dieses Verfahren wurde vor dem Hintergrund entwickelt, dass im Fall einer Pandemie mit dem Vogelgrippevirus eine Knappheit bei Hühnereiern entstehen könnte.

Zum Vorwurf, die adjuvantierte Impfstoffe gegen die Schweinegrippe hätten nur den einen Sinn, mehr Erfahrunge zu sammeln ('Europa als Versuchskaninchen')

Spiegel: GSK und Novartis werden die Erfahrungen, die sie während der Massenimpfungen in Europa sammeln, gut brauchen können, um weitere adjuvantierte Impfstoffe zu entwickeln. Vor allem aber könnten sie ihnen helfen, die FDA doch noch vom Nutzen der Zusatzstoffe zu überzeugen.

Was fehlt: Der Spiegel hat das Paul-Ehrlich-Institut konkret zu dieser Theorie befragt und darauf folgende Antwort erhalten: "Der genannte Vorwurf verkehrt die Realitäten, denn Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit adjuvantierter saisonaler Impfstoffe wurden bereits unabhängig von einem pandemischen Geschehen erhoben und sind in die Bewertung der H1N1v-Impfstoffe eingeflossen. Sie werden auch fortlaufend weiter erhoben, unabhängig von der Anwendung adjuvantierter Pandemie-Impfstoffe."

Im Übrigen ist es nicht nötig, die USA vom Nutzen der Adjuvanzien zu überzeugen, denn mit dem Impfstoff Cervarix (gegen Humane Papillomviren) wurde am 16. Oktober gerade ein Impfstoff mit einem neuen Adjuvans (AS04) von der FDA zugelassen. Und auch die Adjuvanzien AS03 (GlaxoSmithKline) und MF59 (Novartis Vaccines) haben die USA bereits eingekauft, um sie im Bedarfsfall sofort (ohne weitere klinische Prüfung, im Rahmen einer Notfallverordnung) einsetzen zu können.

Aktualisiert: 18.10.2009