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Aus­zug zum The­ma 'Phar­ma­ko­vi­gi­lanz' (Arz­nei­mit­tel­si­cher­heit) aus den Emp­feh­lun­gen der Stän­di­gen Impf­kom­mis­si­on

Erschienen im Epidemiologischen Bulletin 41/2009

Hinweis: Dies ist eine Archivinformation, hier geht es zum Überblick mit allen Informationen zur Influenza-Pandemie 2009/2010.

Pharmakovigilanz

Bei Anwendung des Impfstoffs sind alle Impfstoffhersteller verpflichtet, die im Rahmen der Zulassung festgelegten CHMP Anforderungen für die Pharmakovigilanz als Bestandteil des Risikomanagementplans zu erfüllen.

Die Hersteller müssen monatlich aktualisierte Berichte zur Unbedenklichkeit (Simplified Periodic Safety Update Report, s-PSUR) bei den Zulassungsbehörden einreichen. Alle auftretenden schwerwiegenden Nebenwirkungen müssen innerhalb von 7 Tagen gemeldet werden. Die Impfstoffhersteller sind weiterhin verpflichtet, bei Beginn der Impfkampagne eine prospektive Kohortenstudie zum Nachweis der Unbedenklichkeit des Impfstoffs bei 9.000 Impflingen aller Alters- und Risikogruppen durchzuführen. Über die Ergebnisse dieser Kohortenstudie muss in regelmäßigen Abständen berichtet werden. Für die Anwendung des Impfstoffs bei Schwangeren muss eine Studie in Zusammenarbeit mit einem Schwangerschaftsregister erfolgen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs muss in einer Wirksamkeitsstudie entsprechend dem vom European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) festgelegten Studienprotokoll untersucht werden. GSK wird die Kohortenstudie im Vereinigten Königreich in Zusammenarbeit mit der Health Protection Agency durchführen.

Passive Pharmakovigilanz-Surveillance in Deutschland

Im Rahmen der Impfempfehlung sind besondere Anforderungen an eine Begleitforschung bzgl. Wirksamkeit und Sicherheit der eingesetzten Impfstoffe zu stellen. So fordert die STIKO Ärzte und Geimpfte dazu auf, mit besonderer Sorgfalt aufgetretene Nebenwirkungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen gegen das Neue Influenza A (H1N1)-Virus aufgetreten sind, zu melden, um so frühzeitig mögliche Risikosignale erfassen zu können. Nach dem Infektionsschutzgesetz muss ein Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Synonym: Impfkomplikation) von den impfenden Ärzten über das zuständige Gesundheitsamt an die zuständige Landesbehörde und an das PEI gemeldet werden.

Das PEI plant, die gemeldeten Verdachtsfälle von Impfkomplikationen nach dem Infektionsschutzgesetz bzw. von Nebenwirkungen nach dem Arzneimittelgesetz wöchentlich in der öffentlich zugänglichen Nebenwirkungsdatenbank zu publizieren. Das PEI wird einmal pro Monat einen Bericht zum Sicherheitsprofil der Impfstoffe dem Robert Koch-Institut und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur Verfügung stellen und nach Diskussion auf seiner Homepage veröffentlichen. Signale werden durch regelmäßige Datenbankabfrage mittels automatischer Datenbankanalyse und durch eine Analyse der erwarteten im Vergleich zu den gemeldeten Fällen (observed versus expected analysis, O/E) detektiert. Um eine solche O/E Analyse durchführen zu können, benötigt das PEI Angaben zur Exposition. Da die vom PEI frei gegebenen Chargen und die von GSK zur Verfügung gestellten Impfdosen vermutlich
nur ein sehr schlechtes Maß für die Exposition sind, benötigt das PEI von den Bundesländern Unterstützung. Das PEI wird dazu die Bundesländer anschreiben und bitten, dem PEI in regelmäßigen Abständen die Erkenntnisse zu den verimpften Dosen zur Verfügung zu stellen.

Aktive Pharmakovigilanz-Surveillance in Deutschland

Surveillance in der Schwangerschaft

Um mögliche Risiken der Immunisierung gegen Neue Influenza A (H1N1) für Schwangere und das ungeborene Leben beurteilen zu können, strebt das PEI eine Studie zur (freiwilligen) Überwachung der geimpften Schwangeren und die Untersuchung der Neugeborenen auf mögliche Schädigungen in Zusammenarbeit mit dem Pharmakovigilanz-und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie (BBGes) Berlin an und zwar unabhängig davon, welcher Impfstoff eingesetzt wird. Ziel der Surveillancestudie zum Impfrisiko bei Schwangeren ist es, den Verlauf der Schwangerschaften zu dokumentieren und hinsichtlich möglicher Risiken zu untersuchen. Weiterhin soll schwangeren Frauen ein Beratungsangebot gemacht werden, was insbesondere bei Risikoschwangerschaften (z. B. chronische Erkrankungen, Begleitmedikation) von hohem Nutzen sein wird.

Epidemiologische Untersuchung zur Assoziation einer Influenza-Impfung und einem Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

In der Folge eines Ausbruchs von Schweineinfluenza im Jahr 1976 bei Rekruten im Fort Dix und Befürchtungen einer Schweineinfluenza-Epidemie wurden Influenzaimpfstoffe in den USA produziert und verimpft. Bereits kurz nach Beginn der Impfkampagne kam es zu gehäuften Meldungen eines GBS. Während die Epidemie ausblieb, besteht heute kaum Zweifel daran, dass die eingesetzten Schweineinfluenza-Impfstoffe (insgesamt vier verschiedene nicht-adjuvantierte Impfstoffe) mit einem erhöhten Risiko für GBS bei Erwachsenen assoziiert waren.
Insgesamt acht kontrollierte Studien in der erwachsenen Zivilbevölkerung ergaben zwischen 4,9 bis 11,7 zusätzliche Fälle eines GBS auf 1 Millionen Impfungen innerhalb von 6 Wochen nach der Impfung. Bei Kindern wurde kein erhöhtes Risiko für ein GBS festgestellt. Die Ursache für die erhöhte Inzidenz ist bis heute ungeklärt. Bisher sind mehrere kontrollierte Studien zum Risiko eines GBS nach saisonalen (derzeit verfügbaren) Grippeimpfstoffen veröffentlicht worden. Mit Ausnahme von zwei Studien, die ein geringfügig erhöhtes Risiko fanden, wurde keine Assoziation zwischen GBS und den saisonalen Impfstoffen festgestellt. Sofern überhaupt ein Risiko für GBS nach saisonalen Grippeimpfstoffen besteht, ist es ausgesprochen gering und würde nicht den Nutzen der Impfung überwiegen. GBS ist in der Fachinformation von trivalenten Influenzaimpfstoffen als Nebenwirkung genannt.

Für die jetzigen pandemischen Influenzaimpfstoffe A (H1N1) ist ein GBS in Zusammenhang mit einer möglichen Impfung bei Erwachsenen zumindest als rein theoretisches Risiko zu bedenken. Da in zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auch rein zufällig Fälle eines GBS auftreten und berichtet werden, ist eine Untersuchung der möglichen Assoziation mit der Impfung geboten. Das PEI wird eine epidemiologische Studie durchführen, mit der die Assoziation zwischen GBS und der Grippeimpfung (saisonal und gegen Neue Influenza A (H1N1)-Viren) eingehend untersucht werden soll. Dazu soll ein Surveillancesystem etabliert werden, um Patientencharakteristika, Anamnese, Impfanamnese und das Auftreten von GBS detailliert zu erfassen. Die Daten werden über die Kontaktadressen der AFP-(accute flaccid paralysis, Poliosurveillance) Surveillance und zusätzliche neurologische Kliniken abgefragt. Es ist vorgesehen, dass die Auswertung der Daten am PEI erfolgt. Das PEI hat ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission erhalten.

Thiomersal in Impfstoffen

Die Pandemieimpfstoffe werden 5 μg bzw. 25 μg Thiomersal (entsprechend 2,5 μg bzw. 12,4 μg Quecksilber) pro Dosis enthalten, wenn die Impfstoffe in Mehrdosenbehältnisse abgefüllt werden. Thiomersal verhindert die Verkeimung der Impfstoffe nach Erstöffnung und bei der mehrfachen Entnahme und somit das Risiko einer unerwünschten bakteriellen Infektion.

Neurotoxizität von Thiomersal bei Kindern

Es wurde immer wieder die Sorge geäußert, dass der Zusatz von Thiomersal in Impfstoffen mit Autismus und neurologischer Entwicklungsverzögerung assoziiert sei. Basierend auf den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Institute of Medicine in den USA und die European Medicines Agency (EMEA) übereinstimmend geschlussfolgert:

  • die epidemiologischen Daten sprechen gegen einen Zusammenhang zwischen Thiomersal in Kinderimpfstoffen und Autismus;
  • der Nutzen Thiomersal-haltiger Impfstoffe ist deutlich höher als dieses hypothetische Risiko.

Eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Daten zu Thiomersal hat das PEI auf seiner Homepage veröffentlicht.

Thiomersal-Exposition in der Schwangerschaft

Quecksilber ist bekanntermaßen dosisabhängig toxisch für das ungeborene Kind. Schwangere sind aber auch exponiert gegenüber geringen Mengen von Methylquecksilber über die Nahrung, speziell durch Fischkonsum. Die Joint Food and Agriculture Organization (FAO)/WHO Expert Committee on Food Additives) haben kürzlich eine provisorische tolerierbare wöchentliche Aufnahme durch Fisch von 1,6 μg/kg Körpergewicht pro Woche (= 96 μg Methylquecksilber/89 μg Quecksilber für eine 60 kg schwere Person pro Woche) etabliert, die ausdrücklich auch für Schwangere als unbedenklich gilt. Das PEI hat dazu auf seiner Homepage Stellung genommen.

Methylquecksilber und seine Salze werden gut im Magen-Darm-Trakt resorbiert (> 80 %). Im Vergleich zur lebenslangen Aufnahme von quecksilberhaltigen Verbindungen mit der Nahrung erscheint die ein- oder zweimalige Applikation von Thiomersal-haltigen Impfstoffen im Abstand von zwei oder mehr Wochen somit vernachlässigbar.

Risiko von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Thiomersal

Thiomersal gehört zu den häufigsten Kontaktallergenen (Prävalenz der Sensibilisierung ca. 1–5 %), die klinische Bedeutung ist jedoch sehr gering. Einzelfälle von generalisierten allergischen Hautreaktionen auf Thiomersal nach Impfungen sind in der Literatur beschrieben. Eine Studie zeigte, dass Patienten mit positivem Hauttest auf Thiomersal nicht häufiger Impfreaktionen auf Thiomersal-haltige Impfstoffe zeigen als solche mit negativem Hauttest. Eine gezielten Untersuchung bei Patienten mit bekannter Kontaktallergie auf Thiomersal zufolge ruft eine intramuskuläre Impfung mit einem Thiomersal-haltigen Impfstoff bei mehr als 90 % dieser Personen keinerlei Reaktionen hervor. Konsens herrscht deshalb auch darüber, dass eine bestehende Thiomersal-Kontaktallergie keine Kontraindikation für eine notwendige Impfung darstellt, bei der eine Thiomersal-haltige Vakzine verwendet wird.

Konsekutive oder sequenzielle Impfung mit verschiedenen Impfstoffen

Es gibt keine klinischen Daten zur zeitgleichen Gabe saisonaler und pandemischer H1N1-Impfstoffe. Die Fachinformation von Pandemrix® schließt dies jedoch auch nicht aus (bitte Fachinformation des jeweiligen Impfstoffes beachten). Die STIKO macht aber darauf aufmerksam, dass nur ein zeitversetztes Impfen beider Influenza-Impfstoffe eine differenzierte Zuordnung eventueller unerwünschter Wirkungen zu einem Impfstoff ermöglicht. Bei einem rechtzeitigen Beginn der Impfung gegen die saisonale Influenza (vor Verfügbarkeit der pandemischen Impfstoffe) werden zudem mehr Ressourcen bei der Impfung gegen die pandemische Influenza zur Verfügung stehen.

Aktualisiert: 12.10.2009