Paul-Ehrlich-Institut

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Zur Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts möchten wir gerne statistische Informationen vollständig anonymisiert erfassen und analysieren. Dürfen wir hierzu vorübergehend einen Statistik-Cookie setzen?

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit in unserer Datenschutzerklärung widerrufen.

OK

Im Ge­spräch mit Prof. Klaus Ci­chu­tek – Wa­rum es kei­ne Lang­zeit­fol­gen von Imp­fun­gen gibt

Immer wieder wenden sich Bürgerinnen und Bürger aus Angst vor Spätfolgen der neuen genbasierten COVID-19-Impfstoffe an das Paul-Ehrlich-Institut. Sie befürchten, dass Nebenwirkungen erst viele Monate oder gar Jahre nach der Impfung auftreten könnten. Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, erläutert im Gespräch mit der institutseigenen Online-Redaktion, warum diese Angst unbegründet ist.

Prof. Dr. Klaus Cichutek (Quelle: T. Jansen / Paul-Ehrlich-Institut)

Einer der häufigsten Sätze von Menschen, die zögern, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, ist: "Wir wissen ja noch nichts über Spätfolgen". Ist diese Befürchtung berechtigt?

Prof. Klaus Cichutek:
Wir wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass die Nebenwirkungen in der Regel innerhalb weniger Stunden oder weniger Tage nach einer Impfung auftreten. In seltenen Fällen kommt es vor, dass Impfstoffnebenwirkungen erst nach Wochen oder wenigen Monaten auftreten beziehungsweise erkannt werden.

Ein immer wieder erwähntes theoretisches Risiko ist das Auftreten einer Auto-Immunkrankheit als Langzeit-Nebenwirkung nach der Gabe eines Impfstoffs. Dies ist von keinem der derzeit in der EU zugelassenen Impfstoffe bekannt.

Die aktuell in Europa zugelassenen COVID-19-Impfstoffe sind bereits seit Ende 2020 beziehungsweise Anfang 2021 zugelassen und in der allgemeinen Anwendung. Die ersten klinischen Prüfungen wurden vor 1,5 Jahren begonnen. Und seitdem wurden die Impfstoffe millionen- bzw. teilweise schon milliardenfach verimpft, wodurch auch sehr seltene Nebenwirkungen (seltener als 1 Fall auf 10.000 Impfungen) erkannt werden.

Aber der Begriff "Langzeitfolgen" taucht immer wieder auf – gibt es diesen bei Impfstoffen?

Prof. Klaus Cichutek:
Eine erwünschte Langzeitfolge von Impfungen im Sinne einer lang anhaltenden Wirkung ist ein andauernder Schutz vor der Infektionskrankheit, gegen die sich der zur Impfung verwendete Impfstoff richtet. Bei manchen Impfstoffen hält dieser Schutz sogar lebenslang an – beispielsweise nach zweifacher Masernimpfung. Bei anderen Impfungen wie der gegen die Grippe – braucht es periodische Auffrischimpfungen, um den Impfschutz zu erhalten.

Der Verdacht auf unerwünschte Langzeitfolgen von Impfungen werden dem Paul-Ehrlich-Institut sehr selten berichtet. Im Einzelfall können diese sehr seltenen Impfkomplikationen einen langen Zeitraum, gegebenenfalls Jahre, anhalten. Das ist aber die absolute Ausnahme.

Ein Beispiel für eine solche extrem seltene Nebenwirkung mit Langzeitfolgen ist die sehr selten aufgetretene Narkolepsie nach der Impfung mit einem bestimmten pandemischen Influenza-Impfstoff gegen die Schweinegrippe 2009/2010. Aber auch hier gab es erste Hinweise auf eine solche Impfkomplikation bereits nach ca. einem Jahr nach Beginn der Impfungen.

Sehr wichtig zu bedenken ist es, dass es sich hier um absolute Ausnahmen handelt – in der Regel haben die Impfstoffe keine unerwünschten Langzeitfolgen, die im ursächlichen Zusammenhang mit den Impfungen stehen.

Häufig meinen besorgte Bürgerinnen und Bürger mit Langzeitfolgen Nebenwirkungen, die erst spät auftreten. Diese Sorgen sind unberechtigt.

Aber es gab doch bei der Pandemie 2009, die als Schweinegrippe bekannt wurde, eine Nebenwirkung, die Narkolepsie, die erst sehr spät bekannt wurde. Ist das nicht doch eine Langzeitfolge gewesen?

Prof. Klaus Cichutek:
Es ist richtig, dass die Narkolepsie im Zusammenhang mit dem pandemischen Impfstoff H1N1v als seltene Nebenwirkung bekannt ist, die z.T. erst viele Monate nach einer Impfung durch die entsprechenden Symptome bei sehr wenigen Personen erkannt wurde. Die Symptome der Narkolepsie sind behandelbar, können allerdings lebenslang bestehen bleiben.

Was sagen Sie Menschen, die Bedenken bezüglich einer Impfung gegen COVID-19 haben?

Prof. Klaus Cichutek:
Die COVID-19-Impfung schützt vor den lebensgefährlichen Folgen einer SARS-CoV-2- Infektion und ist damit ein hochwirksamer und auch sicherer Schutz vor dieser gefährlichen Virusinfektion.

In der inzwischen millionenfachen Anwendung hat sich gezeigt, dass die meisten Nebenwirkungen innerhalb der ersten ein bis drei Tage nach Impfung auftreten und vorübergehend sind.

Die Impfstoffe gegen COVID-19 bieten einen sehr guten Schutz vor möglichen Komplikationen einer SARS-CoV-2-Infektion. Die von den COVID-19-Impfstoffen ausgelöste erwünschte Immunreaktion führt zu den bekannten Reaktionen und Symptomen nach einer Impfung. Diese Reaktionen sind jedoch häufiger und ausgeprägter, als wir es beispielsweise von den Grippe-Impfstoffen kennen. Entscheidend ist hier aber, dass es sich in der Regel um vorübergehende Symptome wie Schmerzen an der Einstichstelle, Unwohlsein, vielleicht etwas Fieber handelt.

Die Impfstoffe sind sicher, hochwirksam und schützen sehr gut vor einer Erkrankung an COVID-19, insbesondere schweren Verläufen. Auch wenn Personengruppen wie ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen ein höheres Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, so gibt es schwere Krankheitsverläufe nach einer COVID-19-Impfung, zum Teil auch bei jungen und bei gesunden Menschen. Die gesundheitlichen Risiken einer SARS-CoV-2-Infektion sind größer als das Risiko der sehr seltenen schwerwiegenden Nebenwirkungen der in Deutschland zugelassenen COVID-19-Impfstoffe. Im Übrigen gilt für die COVID-19-Impfstoffe wie für alle Impfstoffe: Nur bei einer positiven Nutzen-Risiko-Bilanz wird ein Impfstoff überhaupt zugelassen.

Die Impfstoffe gegen COVID-19 sind sicher, wirksam und schützen vor einer Erkrankung, deren Verlauf niemand für sich persönlich vorhersagen kann. Jeder und jede, der bzw. die sich impfen lassen kann, sollte das Angebot einer COVID-19-Impfung annehmen.

Prof. Cichutek, vielen Dank für das Gespräch.

Aktualisiert: 10.01.2022