Paul-Ehrlich-Institut

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Der Präsident zieht Bilanz

Seit 2009 war apl. Prof. Dr. Klaus Cichutek Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Nach seiner Postdoktorandenzeit in den USA war er am Paul-Ehrlich-Institut zunächst als Forschungsgruppenleiter, Abteilungsleiter und als Vizepräsident aktiv. Zum Jahresende 2023 begibt sich Klaus Cichutek in den Ruhestand. Hier zieht er Bilanz über die wichtigsten Meilensteine seiner Präsidentschaft.

Apl. Prof. Dr. Klaus Cichutek (Quelle: T. Jansen/Paul-Ehrlich-Institut)

Fragen und Antworten

Herr Prof. Cichutek, Sie blicken auf eine lange Zugehörigkeit zum Paul-Ehrlich-Institut zurück. Welche Erinnerungen nehmen Sie aus dieser Zeit mit?

Klaus Cichutek: 35 Jahre am Paul-Ehrlich-Institut – davon 14 Jahre als Präsident – das ist eine lange Zeit, in der ich gemeinsam mit den Mitarbeitenden und in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit den Aufgabenbereich und die Funktionen des Instituts mitgestalten und zu den regulatorischen und Forschungs-Spitzenleistungen beitragen durfte. Es war für mich immer ein Privileg, am Paul-Ehrlich-Institut die Entwicklung neuer Arzneimittel mit regulatorischen Mitteln und experimenteller Forschung zum Wohl von zu impfenden Personen, Patientinnen und Patienten unterstützen zu können. Auch konnten wir im Bereich der Politikberatung zum Rechtsrahmen und bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sowie der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zu den Leitfäden und Standards beitragen, die es erlauben, die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln zu gewährleisten. Dies ermöglicht den Arzneimittelentwicklern, den gradlinigsten Pfad bei der Entwicklung eines neuen Arzneimittels zu verfolgen.

Was waren die Highlights während Ihrer Präsidentschaft?

Klaus Cichutek: Das Paul-Ehrlich-Institut ist die für Impfstoffe und andere biomedizinische Arzneimittel zuständige Bundesoberbehörde mit Forschungsaufgaben im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums. Zu meinen ganz persönlichen Highlights während meiner Amtszeit zählt die aktive Rolle, die das Paul-Ehrlich-Institut bei der Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie national und international gespielt hat, und das sehr positive Feedback zu unserer Arbeit aus Politik, Fachkreisen und Öffentlichkeit. Der Name und die Aufgaben des Paul-Ehrlich-Instituts sind heute überall ein Begriff. Wir werden nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit als kompetentes Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel mit einem wichtigen Aufgabenbereich und als verlässliche Informationsquelle wahrgenommen. In der Pandemie wurde offensichtlich, was unsere Expertinnen und Experten auch außerhalb von Pandemien leisten.

Die erfolgreich geleistete Arbeit in der SARS-CoV-2-Pandemie ist auf Voraussetzungen zurückzuführen, die wir am Institut gemeinsam in den Jahren zuvor geschaffen haben. Außergewöhnlich ist hier das Engagement der Mitarbeitenden, die sich mit dem Auftrag und den Aufgaben des Paul-Ehrlich-Instituts in besonderem Maß identifizieren. Wir sind in vielen Ausschüssen und Arbeitsgruppen in Deutschland, bei der EMA, der WHO und dem Europäischen Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln, kurz EDQM, federführend aktiv oder haben den Vorsitz inne. Die europäische und globale Vernetzung mit anderen Arzneimittelbehörden und -agenturen gewährleisten wir durch unser Engagement bei den HMA, den Heads of Medicines Agencies – dies ist die Gruppe der Leitungen der nationalen europäischen Arzneimittelbehörden – und als Gründungsmitglied der ICMRA, der International Coalition of Medicines Regulatory Agencies – das ist die Gruppe der Leitungen der global wirkenden Arzneimittelbehörden. Die Arbeit in diesen Netzwerken schafft die Basis dafür, dass den Menschen weltweit Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel mit nachgewiesener Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit in und außerhalb einer Pandemie zeitnah zur Verfügung gestellt werden können. Dazu zählen auch innovative und flexible Ansätze bei der Arzneimittelprüfung und -regulierung, um die Erteilung notwendiger Genehmigungen und Zulassungen zu beschleunigen.

Auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?

Klaus Cichutek: Als ich vor 35 Jahren zum Paul-Ehrlich-Institut kam, hatten die biomedizinischen Arzneimittel, also große Moleküle und komplexe Arzneimittel auf Basis von biologischem Material, im Vergleich zu den chemischen Arzneimitteln, den small molecules, in der Medizin noch eine geringere Bedeutung. Inzwischen sind wir weltweit im Zeitalter der Biomedizin angekommen und das Paul-Ehrlich-Institut hat hierzu Wichtiges beigetragen. Schon in den letzten Jahren ist der Anteil von Anträgen auf klinische Prüfungen biomedizinischer Arzneimittel in Deutschland stetig angestiegen und liegt derzeit bei etwa 40 Prozent. Parallel dazu ist auch die Nachfrage nach und die Anzahl der wissenschaftlich-regulatorischen Beratungen des Paul-Ehrlich-Instituts – koordiniert von unserem Innovationsbüro – stark angestiegen. Am Anfang meiner regulatorischen Aktivitäten konnte ich selbst einige Grundlagen für die Regulation von Zell- und Gentherapeutika national und europäisch legen. Ich bin stolz darauf, mit dem Paul-Ehrlich-Institut ein aktiver Teil dieser Entwicklung zu sein.

Das Paul-Ehrlich-Institut setzt sich ja gerade für die regulatorische Unterstützung von Forschung und Entwicklung neuer Impfstoffe und biomedizinischer Arzneimittel seit mehr als 15 Jahren intensiv ein und hat dabei wertvolle Erfahrungen gesammelt. Bei der Bearbeitung der eingegangenen Anträge auf Genehmigung der klinischen Prüfung haben wir bereits Bearbeitungszeiten erreicht, die um 40 bis 60 Prozent kürzer als gesetzlich vorgegeben sind. Wir begleiten viele Arzneimittelentwicklungen für seltene und für häufige Krankheiten – von der wissenschaftlichen Beratung über die Genehmigung klinischer Prüfungen bis hin zur Zulassung und danach im Life-Cycle-Management und der Pharmakovigilanz. Das Paul-Ehrlich-Institut leistet auf diese Weise unverzichtbare Beiträge zur Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit dieser Arzneimittel für die Patientinnen und Patienten sowie für zu impfende Personen und damit für die öffentliche Gesundheit (Public Health). In Europa sind wir als Paul-Ehrlich-Institut aufgrund unseres Know-hows seit mehr als einem Jahrzehnt führend bei Impfstoffen und Biomedizin und ein wichtiger Standortfaktor für die Pharma- und Biotech-Industrie ebenso wie für akademische translationale Forschende in Deutschland und Europa. Parallel dazu haben wir wichtige Aspekte der Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit erforscht. Ich selbst habe Forschung an Retroviren wie HIV und SIV sowie an retroviralen Vektoren beigetragen.

Zu den wichtigsten Erfolgen des Paul-Ehrlich-Instituts der letzten 15 Jahre zählen aus meiner Sicht:

  • die wiederholte Wahl (Kooptierung) in den CHMP, den Ausschuss für Human-Arzneimittel bei der EMA,
  • die führende Mitarbeit im CVMP, dem Ausschuss für Tierarzneimittel bei der EMA,
  • der Vorsitz des CAT, des Ausschusses für neuartige Therapien, und weiterer Ausschüsse und Working Parties bei der EMA sowie bei der WHO, der EDQM und bei anderen Organisationen,
  • der zeitweise Vorsitz der HMA-Managementgruppe,
  • der Sitz im Vorstand der Arbeitsgruppe der Ressortforschungseinrichtungen,
  • die Verbesserung der EMA-Gebührenordnung,
  • die Gründungsmitgliedschaft bei der ICMRA,
  • die Designation von zwei WHO-Kooperationszentren am Paul-Ehrlich-Institut, zum einen für die Evaluation von Impfstoffen, zum anderen für die Qualität von Blutprodukten und In-vitro-Diagnostika,
  • die Mitarbeit im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung DZIF und im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung DKTK,
  • der Aufbau der Projekte RegTrain – VaccTrain und BloodTrain im Rahmen des Global Health Protection Programme GHPP,
  • der Aufbau und Arbeit des Zentrums für Pandemie-Impfstoffe und -Therapeutika (ZEPAI) am Paul-Ehrlich-Institut,
  • das Live-cell und In-vivo-Imaging-Center und neue Elektronenmikroskopie sowie das Next-Generation-Sequencing-Center am Paul-Ehrlich-Institut,
  • die neuen Projekte zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz im regulatorischen Bereich,
  • die Forschung zur Reduktion von Tierversuchen nach dem 3R-Konzept (Replacement, Reduction, Refinement),
  • drei Professuren, die wir zusammen mit den benachbarten Universitäten besetzt haben,
  • und zuletzt die Designation durch die Europäische Kommission als EU-Referenzlabor für In-vitro-Diagnostika.

Dies ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

In den Jahren Ihrer Präsidentschaft gab es sicherlich neben vielen Höhen auch Tiefen. Was sind für Sie die schwierigsten Momente oder größten Herausforderungen gewesen?

Klaus Cichutek: Ich habe in diesen 35 Jahren eine ganze Reihe von infektiologisch bedingten Gesundheitskrisen miterlebt, angefangen mit der AIDS-Pandemie und dem Blutskandal des Bundesgesundheitsamts – dem das Paul-Ehrlich-Institut nie angehörte – über die BSE-Krise, die so genannte Schweinegrippe, MERS-Coronavirus, Ebola bis hin zur SARS-CoV-2-Pandemie. Andere Krisen betrafen beispielsweise die ersten schwierigen Ergebnisse bei den Gentherapie-Erprobungen bei monogenen Erbkrankheiten. Es waren Krisen, zu deren Bewältigung das Paul-Ehrlich-Institut immer einen wichtigen, allseits anerkannten Beitrag leisten konnte.

Die SARS-CoV-2-Pandemie ist nur das jüngste Beispiel. Insbesondere nach dem Ausbruch der Pandemie sind die Mitarbeitenden des Instituts in jeder Hinsicht mit ihrer Arbeitsleistung über sich hinausgewachsen: Wir haben den COVID-19-mRNA-Impfstoffen in Deutschland ans Licht der Welt geholfen und bereits ein Jahr nach Auftreten des SARS-Coronavirus-2 den ersten COVID-19-Impfstoff bei der Zulassung evaluiert. Ein Tag nach Zulassung des ersten COVID-19-Impfstoffs durch die Europäische Kommission hat das Paul-Ehrlich-Institut die ersten Impfstoffdosen nach der Chargenprüfung für Deutschland freigegeben und für Europa zertifiziert. Unsere Expertinnen und Experten sind – mitten in der Pandemie – zur Inspektion von außerhalb Europas befindlichen Herstellungsstätten gefahren. Das Paul-Ehrlich-Institut hat die SARS-CoV-2-neutralisierenden Antikörper in Deutschland genehmigt und verfügbar gemacht. Darüber hinaus haben unsere Expertinnen und Experten die CoV-2-Antigentests vergleichend evaluiert, damit die in Deutschland verfügbaren Tests besonders sensitiv waren. Die Nebenwirkungen der COVID-19-Impfstoffe wurden genau beobachtet, analysiert und die Erkenntnisse schnell in Sicherheitsberichten veröffentlicht. Die sehr seltene Nebenwirkung Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) nach Gabe der COVID-Adenovektorimpfstoffe hat das Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland entdeckt und die Sicherheit verbessernden Maßnahmen koordiniert. Zudem hat das Institut wichtige Forschungsergebnisse beigesteuert, um das Coronavirus-2, die von ihm ausgelösten Immunreaktionen sowie die Nebenwirkungsmechanismen besser zu verstehen.

Wie sehen Sie das Paul-Ehrlich-Institut für die Zukunft aufgestellt?

Klaus Cichutek: Das Paul-Ehrlich-Institut fokussiert sein Know-how auf biologische Arzneimittel – Impfstoffe und Biomedizin – in der Kombination von Arzneimittelbewertung und experimenteller Chargenprüfung sowie in der Kombination regulatorischer Aufgaben mit eigener experimenteller und pharmako-epidemiologischer Forschung. Dies ist für die Herstellung und Entwicklung von biomedizinischen Arzneimitteln in Deutschland und Europa ein immens wichtiger Standortvorteil und auch für die Arzneimittelregulation der Zukunft wegweisend. Hier gleichen wir dem Center for Biologics Evaluation and Research der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. Wir haben gezeigt, dass wir in die Zukunft blicken, uns ständig weiterentwickeln und schnell neue Aufgaben übernehmen können.

Welche Herausforderungen sehen Sie in Zukunft auf das Paul-Ehrlich-Institut zukommen?

Klaus Cichutek: Am Paul-Ehrlich-Institut haben wir einen großen Schatz – unsere zahlreichen Expertinnen und Experten mit einem umfassenden und vielschichtigen Know-how in Biologie, Medizin, Pharmakologie und Tiermedizin. Sie sind zugleich erfahren in der Regulation. Das wirkt sich positiv auf die Arzneimittelentwicklung aus. Und dieses Know-how muss weiter gefördert werden, damit wir zum Beispiel für zukünftige Pandemien bestmöglich gerüstet sind. Aber der Blick sollte nicht nur auf Pandemien gerichtet sein. Wir brauchen diese Expertise, dieses Know-how in Forschung und Regulation, um den gesundheitlichen Herausforderungen in unserer Gesellschaft wirksame Arzneimittel entgegensetzen zu können. Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunkrankheiten begrenzen die Arbeitskraft und Vitalität der Menschen, was mit wissenschaftlichem Fortschritt verbessert werden kann. Wichtig hierfür ist, dass das Paul-Ehrlich-Institut auch künftig seine Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit nutzt, um seine hoheitlichen Aufgaben wie die Arzneimittelbewertung, die Genehmigung klinischer Prüfungen, die Chargenprüfung und die Forschung bestmöglich zu erfüllen.

Haben Sie einen Rat, den Sie Ihrem Nachfolger mitgeben möchten?

Klaus Cichutek: Herr apl. Prof. Dr. Vieths ist seit 2010 Vizepräsident des Paul-Ehrlich-Instituts und hat wie ich selbst die DNA des Paul-Ehrlich-Instituts verinnerlicht. Er braucht keinen Rat, nur das freundschaftliche Angebot, dass ich im Bedarfsfall zur Beratung immer zur Verfügung stehe. Herr Vieths ist seit Jahrzehnten in der Arzneimittelregulation national und auf dem europäischen Level erfolgreich aktiv, er kennt das Paul-Ehrlich-Institut seit Jahrzehnten, er ist ein hochdekorierter Forscher und ein effizienter Manager. Zuletzt hat er die interne Reorganisation, die Neubauplanung und die Verwaltung geleitet. Er übernimmt ab Januar 2024 die kommissarische Leitung des Instituts, worüber wir uns sehr freuen, und er wird seine Aufgabe aufgrund seiner langjährigen Expertise und Managementerfahrung mit Schwung ausführen und das Institut weiterentwickeln.

Wie werden Sie als Wissenschaftler nach all den dienstlichen Jahren Ihren Ruhestand gestalten?

Klaus Cichutek: Der Ruhestand bedeutet für mich vor allen Dingen, nicht mehr in der Verantwortung für das Paul-Ehrlich-Institut und für die vom Institut betreuten Arzneimittel zu stehen. Die Aufgaben und die vielen auch freundschaftlichen Arbeitskontakte im Institut und in der Forscherszene werden mir sicher fehlen. Aber ich bleibe dem Institut mit seinem zukunftsweisenden Konzept selbstverständlich verbunden. In einigen Funktionen werde ich mich weiter für Arzneimittelinnovationen engagieren. Ich bin dankbar, in der Forscherszene die Entdeckung der Onkogene, die erfolgreiche Entwicklung der HIV-Therapien, der CAR-T-Zell-Arzneimittel und der Anwendung des Gene-Editing mit CRISPR/Cas auch in persönlichen Bekanntschaften sehr nah mit erlebt zu haben und zu Entdeckungen in der Retrovirologie selbst beigetragen zu haben. Für die Zukunft freue mich aber auch darauf, mehr Zeit für die Familie zu haben: Meine Frau und ich haben bereits eine ganze Reihe von Plänen. Ich werde mich auch weiter meinen Hobbies wie dem Fußball, dem Fitnesstraining, dem Segeln und in Zukunft vielleicht auch dem Golfspiel widmen.

Aktualisiert: 20.12.2023