Nachdem Verdachtsfallmeldungen von Menstruationsstörungen bzw. -veränderungen in zeitlicher Nähe nach COVID-19-Impfung bekannt wurden, gab es in der Öffentlichkeit die Befürchtung, dass die COVID-19-Impfung zu einer veränderten Menstruation führen könnte. Expertinnen und Experten des Paul-Ehrlich-Instituts wollten herausfinden, ob sich solche berichteten Veränderungen bei nicht geimpften Frauen (bzw. vor der Impfung) und bei geimpften Frauen (nach der Impfung) unterscheiden.
Dazu führte das Team am 01.09.2023 eine Literaturrecherche in einschlägigen medizinischen Datenbanken durch, die 21 Vergleichsstudien erbrachte. In der Regel handelte es sich um Befragungen von Frauen vor (bzw. ohne) und nach der Impfung. Studien, die ausschließlich über den Status nach der COVID-19-Impfung berichteten, wurden in Ermangelung einer Vergleichsgruppe nicht einbezogen.
Folgende Menstruationsereignisse wurden untersucht: unregelmäßige Menstruation, starker Blutfluss, verlängerte Menstruation, verlängerter Zyklus und Schmerzen. Für jede Studie wurde die Häufigkeit der Gesamtzahl dieser Ereignisse in der Gruppe der geimpften Frauen der Gruppe der (noch) nicht geimpften Frauen gegenübergestellt.
Die Ergebnisse wurden in einer Metaanalyse zusammengefasst und ein gemeinsamer Schätzer berechnet. Zwischen den beiden Gruppen wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt. Dies legt nahe, dass die beobachteten Veränderungen möglicherweise durch andere Faktoren als die COVID-19-Impfung verursacht wurden. Einige der eingeschlossenen Studien berichteten, dass Menstruationsveränderungen bei Frauen mit COVID-19-Infektion im Vorfeld, bei Raucherinnen und bei solchen, die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen hatten, depressiv waren, unter Stress standen oder bei denen in der Vergangenheit bereits Zyklusunregelmäßigkeiten aufgetreten waren, wahrscheinlicher waren. Im Allgemeinen waren die Veränderungen leicht und verschwanden nach einem oder zwei Zyklen wieder.
Abbildung 1 zeigt den Ablauf von Literaturrecherche und -auswahl.
Abbildung 1: Ablauf von Literaturrecherche und -auswahl
Quelle: Paul-Ehrlich-Institut
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der 21 eingeschlossenen Studien.
Tabelle 1: Merkmale der erfassten Studien
Studien-ID | Studientyp | Art der Erhebung | Nachverfolgung | Adjustierung | Region |
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Akarsu 2022 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | Türkei |
Alvergne 2022 | Umfrage | über einen längeren Zeitraum | einmal | nein | Vereinigtes Königreich |
Alvergne 2023a | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | ja | Vereinigtes Königreich |
Alvergne 2023b | Kohorte | über die Vergangenheit | zweimal | ja | westliche Länder 1(a) |
Barabas 2022 | Umfrage | über die Vergangenheit | dreimal | nein | Ungarn |
Bisgaard-Jensen 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | dreimal | ja | Dänemark |
Bouchard 2022 | Umfrage | über einen längeren Zeitraum | zweimal | nein | USA, Kanada |
Caspersen 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | Norwegen |
Chiang 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | Taiwan |
Dabbousi 2022 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | Libanon |
Darney 2023 | Kohorte | über einen längeren Zeitraum | kontinuierlich | ja | westliche Länder 2(b) |
Edelman 2022b | Kohorte | über einen längeren Zeitraum | kontinuierlich | ja | westliche Länder 2(b) |
Gibson 2022 | Umfrage | über einen längeren Zeitraum | monatlich | ja | USA |
Kajiwara 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | zweimal | nein | Japan |
Ljung 2023 | Kohorte | über die Vergangenheit | kontinuierlich | ja | Schweden |
Lukac 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | ja | Deutschland |
Matar 2022 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | arabische Länder(c) |
Saleh-Alzahrani 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | Saudi-Arabien |
Trogstad 2023 | Umfrage | über die Vergangenheit | einmal | nein | Norwegen |
Wang 2022 | Kohorte | über einen längeren Zeitraum | monatlich | ja | USA, Kanada |
Wesselink | Kohorte | über einen längeren Zeitraum | alle 8 Wochen | ja | USA, Kanada |
Abkürzung:
ID = Identifikation
(a) westliche Länder: USA, Vereinigtes Königreich, Deutschland, Kanada, Frankreich, Australien und andere
(b) westliche Länder: USA, Kanada, Vereinigtes Königreich, Europa, Australien, Neuseeland
(c) arabische Länder: Jordanien, Syrien, Palästina, Ägypten, Libyen, Sudan
Die Daten von neun Studien konnten in einer Metaanalyse gemeinsam ausgewertet werden. Der Schätzer für den Vergleich mit versus ohne Impfung betrug 1,13 (95 %-Konfidenzintervall: 0,96–1,31). In dieser Analyse wurde somit kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit der Menstruationsereignisse zwischen den beiden Gruppen festgestellt (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Forest plot nach versus vor der Impfung: jedes Menstruationsereignis
Quelle: Paul-Ehrlich-Institut
Abkürzungen:
95 % CI = 95 %-Konfidenzintervall
I2 = Index der Heterogenität (je kleiner der Wert, desto geringer die Heterogenität)
M-H = Mantel-Haenszel statistische Methode
Random = Analysemodell mit zufälligen Effekten
P = Wahrscheinlichkeit
Risk Ratio = Risikoverhältnis-Effektmaß basierend auf dichotomen Daten
Sechs Studien untersuchten, ob es neben der COVID-19-Impfung möglicherweise andere Gründe für die berichteten Menstruationsstörungen gab. Folgende Faktoren hatten einen Einfluss auf die Beantwortung des Fragebogens:
- COVID-19-Infektion im Vorfeld,
- Besorgnis hinsichtlich der Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen,
- subjektiv schlechter Allgemeinzustand,
- Rauchen,
- frühere Zyklusunregelmäßigkeiten,
- hohes Stressniveau,
- Depressionen sowie
- die subjektive Wahrnehmung.
Die meisten Studien deuten darauf hin, dass die beobachteten Veränderungen vorübergehend, geringfügig und nicht schwerwiegend waren (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Zitate aus den Schlussfolgerungen der eingeschlossenen Studien
Studien-ID | Zitate |
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Akarsu 2022 | 20,3 % hatten nach der Impfung einen unregelmäßigen Menstruationszyklus, 21,8 % hatten vor der Impfung einen unregelmäßigen Menstruationszyklus. |
Alvergne 2022 | Bei Teilnehmerinnen mit spontanem Zyklus wurde die COVID-19-Impfung mit einer Verzögerung der nächsten Periode in Verbindung gebracht, die sich jedoch in den nachfolgenden ungeimpften Zyklen umkehrte. Bei den Teilnehmerinnen, die hormonell verhüteten, wurde keine Verzögerung festgestellt. |
Alvergne 2023a | Frauen, die rauchen, an COVID-19 erkrankt sind oder keine östradiolhaltigen Verhütungsmittel verwenden, berichteten häufiger von Menstruationsveränderungen. Die COVID-19-Impfung allein wurde nicht mit anormalen Zyklusparametern in Verbindung gebracht, während eine COVID-19-Erkrankung in der Vorgeschichte mit einem erhöhten Risiko verbunden war, stärkere Blutungen, "ausbleibende" Perioden und Zwischenblutungen zu melden. |
Alvergne 2023b | Die Erfahrung mit COVID-19 geht mit einer kleinen Veränderung der Zykluslänge einher, ähnlich wie bei der COVID-19-Impfung. Diese Veränderungen klingen innerhalb des nächsten Zyklus schnell wieder ab. |
Barabas 2022 | Sie kamen zu dem Schluss, dass die gemeldeten Störungen des Menstruationszyklus während des Höhepunkts der COVID-19-Impfung in Ungarn das Ergebnis erhöhter depressiver Symptome sein könnten. |
Bisgaard-Jensen 2023 | Eine Menstruationsveränderung nach der COVID-19-Impfung wurde von 30 % der menstruierenden Frauen gemeldet. Die meisten der potenziellen Risikofaktoren waren mit Berichten über Menstruationsveränderungen nach der COVID-19-Impfung verbunden. |
Bouchard 2022 | Obwohl 22 % der Frauen subjektiv über Veränderungen ihres Menstruationszyklus berichteten, gab es keine signifikanten Unterschiede bei den Zyklusparametern (Zykluslänge und Dauer der Menstruation) zwischen den Zyklen vor der Impfung, der Impfung und der Zeit nach der Impfung. Die COVID-19-Impfstoffe wurden nicht mit signifikanten
Veränderungen der Menstruationszyklusparameter in Verbindung gebracht. |
Caspersen 2023 | Nur 1,5 % der geimpften Mädchen hatten zuvor eine im Labor bestätigte SARS-CoV-2-Infektion gehabt, verglichen mit 28,0 % der ungeimpften Mädchen. Bemerkenswert ist, dass Menstruationsunregelmäßigkeiten in dieser Stichprobe von 12- bis 15-jährigen Mädchen relativ häufig auftraten, unabhängig von Impfung und Infektionsstatus. |
Chiang 2023 | Die Blutkörperchen, Entzündungsmarker und die Menstruation der Sportlerinnen wurden durch die COVID-19-Impfung nicht beeinflusst. |
Dabbousi 2022 | Außerdem hatten 12,5 % der Teilnehmerinnen vor der Impfung unregelmäßige Zyklen; diese Zahl stieg auf 20,4 % nach der Impfung. Eine mögliche Erklärung für diese Unregelmäßigkeiten ist der von den Frauen vor, während und/oder nach der Impfung empfundene psychische Stress, da ein höheres Stressniveau mit Menstruationsunregelmäßigkeiten verbunden war. |
Darney 2023 | Nach der ersten COVID-19-Impfdosis kam es zu einem leichten Anstieg der Wahrscheinlichkeit einer größeren Gesamtblutungsmenge, der im Zyklus nach der Impfung wieder verschwand. Die Gesamtzahl der Tage mit starken Blutungen unterschied sich nicht nach Impfstatus. Unsere Ergebnisse können die Öffentlichkeit dahingehend beruhigen, dass etwaige Veränderungen gering und vorübergehend sind. |
Edelman 2022b | Bei geimpften Personen verlängerte sich die Dauer des ersten und zweiten Impfzyklus um weniger als einen Tag im Vergleich zu nicht geimpften Personen (0,71 Tage mehr) für die erste Dosis. Die COVID-19-Impfung wird mit einer geringen und wahrscheinlich vorübergehenden Veränderung der Länge des Menstruationszyklus in Verbindung gebracht, jedoch nicht mit einer Veränderung der Länge der Menstruation. |
Gibson 2022 | Die COVID-19-Impfung war mit einem geringen Anstieg der MCL in den Zyklen verbunden, in denen die Teilnehmerinnen die erste Dosis erhielten. Nach der Impfung kehrten die Zyklen zur durchschnittlichen Länge vor der Impfung zurück. Die Veränderung des Menstruationszyklus nach der COVID-19-Impfung scheint gering und vorübergehend zu sein und sollte nicht von einer Impfung abhalten. |
Kajiwara 2023 | Im Vergleich zur vorhergesagten Länge des Menstruationszyklus nahm die tatsächliche Länge des Menstruationszyklus vor der Impfung um 1,9 ± 3,0 Tage und nach der ersten Impfung um 1,6 ± 2,8 Tage zu (p = 0,557). Die zweite Dosis des Impfstoffs verlängerte zwar den Menstruationszyklus, war aber nicht signifikant. |
Ljung 2023 | Diese Ergebnisse liefern keine substanzielle Unterstützung für einen kausalen Zusammenhang zwischen der SARS-CoV-2-Impfung und Kontakt zu Arzt/Ärztin im Zusammenhang mit Menstruations- oder Blutungsstörungen. |
Lukac 2023 | Die endgültige Analyse umfasste 1.726 Teilnehmerinnen. Zykluslänge und Blutvolumen veränderten sich nach der Impfung signifikant, nicht jedoch die Dauer der Menstruation. Risikofaktoren für die Veränderungen der Zykluslänge waren frühere Zyklusunregelmäßigkeiten und Risikofaktoren für die Veränderungen des Blutvolumens waren Alter und Body-Mass-Index. Die Kombination von Impfstoffen (homogen oder heterogen) und die verschiedenen Arten der Immunisierung (Infektion und Impfung) hatten keinen signifikanten Einfluss auf Zyklusunregelmäßigkeiten. |
Matar 2022 | Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der COVID-19-Impfstoff Auswirkungen auf die Menstruation in Bezug auf Menstruationsschmerzen und Blutungsstärke haben kann. Diese Erkenntnisse müssen in Längsschnittstudien weiter untersucht werden. |
Saleh-Alzahrani 2023 | Menstruationsstörungen nach der COVID-19-Impfung waren signifikant mit Menstruationsstörungen vor der COVID-19-Impfung, Bluthochdruck, polyzystischem Ovarialsyndrom und anderen gynäkologischen Erkrankungen verbunden. |
Trogstad 2023 | Die Prävalenz von Menstruationsstörungen betrug 36,7 % im letzten Menstruationszyklus vor der ersten Impfdosis. Menstruationsstörungen traten unabhängig von der Impfung häufig auf. Wir fanden ein erhöhtes Risiko für Menstruationsstörungen nach der Impfung, insbesondere für stärkere Blutungen als üblich, verlängerte Blutungen,
kürzere Abstände zwischen den Menstruationen und stärkere Regelschmerzen. |
Wang 2022 | Die COVID-19-Impfung kann mit kurzfristigen Veränderungen der üblichen Menstruationszykluslänge verbunden sein, insbesondere bei Frauen, deren Zyklen vor der Impfung kurz, lang oder unregelmäßig waren. |
Wesselink 2023 | Wir konnten keinen starken Zusammenhang zwischen der COVID-19-Impfung und der Regelmäßigkeit des Zyklus, der Länge der Blutung, der Stärke der Blutung oder den Menstruationsschmerzen feststellen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die COVID-19-Impfung mit einer vorübergehenden Verlängerung des Menstruationszyklus um etwa 1 Tag verbunden war, aber keinen nennenswerten Zusammenhang mit anderen Merkmalen des Menstruationszyklus aufwies. |
Abkürzungen:
COVID-19 = Coronavirus disease 2019
MCL = menstrual cycle length; Länge des Menstruationszyklus
Das Studienteam hat in der Literatur keine Metaanalyse gefunden, die nur vergleichende Studien umfasst. Einige Daten konnten nicht in die Metaanalysen einbezogen werden, weil sie nicht geeignet waren. Dies konnte zum Teil durch zusätzliche Informationen von den Studienautorinnen und -autoren kompensiert werden. Des Weiteren wurden 44 Studien gefunden, die ausschließlich über Daten nach der Impfung berichteten. Darin wurde die Häufigkeit von Menstruationsereignissen mit 0,3 bis 77,8 % angegeben, bezogen auf die Gesamtzahl der Teilnehmerinnen lag sie im Mittel bei 1,52 %.
Phelan 2021 hatte im September 2020 eine Umfrage zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit von Frauen durchgeführt. Bis zu 50 % der Teilnehmerinnen berichteten darin Menstruationsveränderungen ohne vorausgegangene Impfung. Nach Benedetti 2007 bedeutet der Begriff Nocebo-Effekt, "dass die Erwartung eines negativen Ergebnisses zur Verschlechterung eines Symptoms führen kann". Haas 2022 kam in einer systematischen Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass 76,0 % der systemischen unerwünschten Ereignisse nach der ersten COVID-19-Impfung auf Nocebo-Reaktionen zurückgeführt werden können. Hauser 2012 berichtete, dass negative Erwartungen an eine medizinische Intervention zu verschiedenen unerwünschten Wirkungen führen können und Huang 2010 wies darauf hin, dass die Nocebo-Effekte über die sozialen Medien verbreitet werden und die Besorgnis der Öffentlichkeit, z. B. hinsichtlich der Sicherheit von Impfprogrammen, verstärken könnten.
Die Metaanalyse zeigte keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit von Menstruationsereignissen zwischen der Gruppe der nicht geimpften Frauen (bzw. vor der Impfung) im Vergleich zu den geimpften Frauen (nach der Impfung). Die meisten Studien deuten darauf hin, dass die berichteten Veränderungen vorübergehend, geringfügig und nicht schwerwiegend sind. Diese
berichteten Veränderungen sollten kein Hinderungsgrund für eine Impfung sein.