Paul-Ehrlich-Institut

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Gesamtstrategie Blutversorgung im Angesicht der BSE-Krise

14 / 2001

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt stellt den Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts vor

Gemeinsame Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts

Die sog. BSE-Krise hat eine verstärkte Diskussion über die Sicherheit der Blutprodukte und eine gesicherte Blutversorgung der Bevölkerung ausgelöst. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat den Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts, Prof. Dr. Johannes Löwer, und den Vorsitzenden des Arbeitskreises Blut und Vizepräsidenten des Robert Koch-Instituts, Prof. Dr. Reinhard Burger, gebeten, mit Hilfe von Sachverständigen eine Gesamtstrategie zur Blutversorgung angesichts der sich in Europa ausbreitenden Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu entwickeln. Der Bericht dieser Expertengruppe liegt jetzt vor. "Bislang ist noch kein Fall einer vCJK Übertragung durch Blut oder Blutprodukte bekannt geworden," sagte Prof. Dr. Löwer, "mit der hier durchgeführten Analyse tragen wir im Vorfeld eines möglichen Risikos dem Vorsorgeprinzip Rechnung".

Als Anlage zu dieser Pressemitteilung folgt eine kurze Darstellung der wesentlichen Aussagen und Vorschläge des Berichts.

Zusammenfassend schlagen die Experten im Sinne der Risikovorsorge vor, folgende Maßnahmen zu überlegen und zu diskutieren:

  1. Verstärkter Einsatz von Forschungsmitteln, um Testverfahren zu entwickeln.
  2. Optimale Anwendung von Blutprodukten, was insgesamt einen sparsameren Umgang bedeutet.
  3. Bis zur Entwicklung eines geeigneten Testes könnte als reine Vorsorgemaßnahme (Risikovorsorge) die theoretisch denkbare vCJK-Übertragung durch Bluttransfusionen dadurch unterbunden werden, dass solche Personen von der Blutspende ausgeschlossen werden, die früher selbst Empfänger von Bluttransfusionen waren. Dies würde allerdings eine Einschränkung in der Blutversorgung mit sich bringen.
  4. Förderung der Blutversorgung, unter anderem auch durch Motivationskampagnen zur Blutspende.

"Mit dem vorliegenden Bericht soll auch die Öffentlichkeit informiert werden. Wir wünschen uns, die Debatte, insbesondere mit der Fachöffentlichkeit, weiter intensiv zu führen," so Prof. Dr. Burger.

Anlage:

Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen und Vorschläge des Berichts:

1. Bedeutung der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK)

Experimentelle Befunde lassen überzeugend erkennen, dass die im Vereinigten Königreich aufgetretene vCJK, die eine tödlich verlaufende neurodegenerative Krankheit des Menschen ist, durch den BSE-Erreger ausgelöst wird. Die Exposition des Menschen gegenüber dem BSE-Erreger (primärer Infektionsweg) fand sehr wahrscheinlich über Lebensmittel statt, die hoch infektiöses Rindermaterial (z.B. Rückenmark) enthielten oder damit kontaminiert waren. Das Expositionsrisiko im Vereinigten Königreich dürfte allerdings deutlich höher gewesen sein als in anderen europäischen Ländern. Derzeit stehen den etwas mehr als 100 vCJK-Fällen im Vereinigten Königreich 4 Fälle in Frankreich sowie 1 Fall in Irland gegenüber. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis vCJK auch in weiteren Ländern auftritt, auch in Deutschland.

2. Epidemiologische Prognose

Modellrechnungen gehen unter pessimistischen Annahmen davon aus, dass bis zum Jahr 2040 im Vereinigten Königreich bis zu 6.000 vCJK-Fälle auftreten werden. Unter "worst case"-Szenarien werden für Deutschland, wie auch für Frankreich, jeweils 300-600 Fälle bis zum Jahr 2040 erwartet, die auf Primärinfektionen über Nahrungsmittel zurückgeführt werden.

3. Weitere Übertragungswege (Sekundärinfektionen)

Für eine weitere Übertragung des vCJK-Erregers von Mensch zu Mensch (Sekundärinfektionen) gibt es bisher keine Hinweise. Es kann jedoch wissenschaftlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine vCJK-Übertragung durch chirurgische Instrumente, menschliches Gewebe (insbesondere durch Transplantate) oder durch Blut und Blutprodukte erfolgt. Sollte das möglich sein, könnte sich die vCJK in der menschlichen Population für einen längeren Zeitraum etablieren, auch wenn die Primärinfektionen durch geeignete Maßnahmen unterbunden sind.

4.Übertragung durch Blut und Blutprodukte

Der Bericht konzentriert sich auf die Frage zu einer möglichen Übertragung durch Blut und Blutprodukte. Zur Beantwortung dieser Frage sind Untersuchungen in Tiermodellen durchgeführt worden, die allerdings widersprüchliche Ergebnisse gezeigt haben. In bestimmten Fällen lässt sich der Erreger einer spongiformen Enzephalopathie im Blut nachweisen, wenn auch in geringer Konzentration. Rein vorsorglich unterstellt der vorliegende Bericht daher, dass sich auch der Erreger der vCJK im menschlichen Blut befinden kann. Seine Übertragung durch Blutplasmaprodukte (z.B. Faktor VIII, Albumin, Fibrinogen) erscheint jedoch als sehr unwahrscheinlich, da der Erreger bereits während der Herstellung dieser Blutprodukte weitgehend entfernt wird. Es bleibt der mögliche Übertragungsweg durch zelluläre Blutprodukte zur Bluttransfusion, wie Erythrozyten und Thrombozyten oder durch Frischplasma.

5. Nachweisteste

Geeignete Nachweisteste zur Erkennung des Erregers der vCJK im Blut in Blutspenden gibt es noch nicht, obwohl vielversprechende Ansätze verfolgt werden. Wann Ergebnisse vorliegen werden, kann nicht vorhergesagt werden.

6. Maßnahmen

Der Bericht erörtert verschiedene Vorschläge, die jetzt vom Ministerium sorgfältig geprüft werden:

  • Förderung der Entwicklung von Testverfahren für Blutspenden:
    Der Bericht schlägt vor, prioritär durch den Einsatz von Forschungsmitteln die Entwicklung von geeigneten Testverfahren zu fördern.
  • Optimale Anwendung von Blutprodukten:
    Eine wirksame Vorsorgemaßnahme zur Reduzierung des potenziellen Übertragungsrisikos von Infektionserregern (also auch von vCJK) kann die Vermeidung jeder nicht zwingend erforderlichen Anwendung von Blutprodukten sein. Je weniger Bluteinheiten transfundiert werden, desto mehr reduziert sich das Infektionsrisiko (kritische Prüfung der Indikation). Außerdem kann durch eine rationale Anwendung der Blutprodukte ein sparsamerer Verbrauch gefördert werden. Die im Rahmen der Europäischen Union 1999 von Deutschland gestartete Initiative zur optimalen Anwendung von Blutprodukten soll fortgeführt werden.
  • Spenderausschluss:
    Bis zur Entwicklung eines geeigneten Testes könnte als reine Vorsorgemaßnahme (Risikovorsorge) die theoretisch denkbare vCJK-Übertragung durch Bluttransfusionen dadurch unterbunden werden, dass solche Personen von der Blutspende ausgeschlossen werden, die früher selbst Empfänger von Bluttransfusionen waren. Eine solche Maßnahme zur Verhinderung einer etwaigen Weiterverbreitung beträfe etwa 4 % der Blutspender in Deutsch-land, ein Verlust, der angesichts der vorherrschenden Blutknappheit nach Aussagen der Blutspendedienste nicht ohne weiteres zu verkraften wäre.
  • Förderung der Blutversorgung:
    Der Bericht schlägt vor, dass vor der Einführung des Ausschlusses von Transfusionsempfängern von der Blutspende ausreichende Maßnahmen getroffen werden, die die Blutversorgung in Deutschland nachhaltig gewährleisten. Hierzu zählt zum einen die Ausnutzung von Einsparpotenzialen (optimale Anwendung), zum anderen die Durchführung geeigneter Werbe- und Motivationskampagnen zur Spenderrekrutierung. Die im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durchgeführte Motivationskampagne zur Blut- und Plasmaspende soll intensiviert werden.

Eine weitere Pressemitteilung wurde vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegeben.

Weitere Informationen:

Pressekontakt:
Paul-Ehrlich-Institut
Pressestelle
Dr. Susanne Stöcker, Dörte Ruhaltinger
Paul-Ehrlich-Straße 51-59
63225 Langen
GERMANY
Telefon: +49 6103 77 1030
Telefax: +49 6103 77 1262
E-Mail: Presse@pei.de

Aktualisiert: 16.10.2001