Paul-Ehrlich-Institut

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Forschungsergebnisse zur Gentherapie ausgezeichnet

9 / 2005

Langener Wissenschaftspreis 2005 geht an vier Forscher

Sperrfrist bis Freitag, 18.11.2005, 17.00 Uhr

(Beginn der Festveranstaltung)

Für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Gentherapie, insbesondere der Reduzierung von Nebenwirkungen, haben Prof. Dr. Christopher Baum, Medizinische Hochschule Hannover, Prof. Dr. Christof von Kalle, DKFZ Heidelberg, Priv.-Doz. Dr. Boris Fehse, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, und Dr. Manfred Schmidt, Universität Freiburg, am Freitag, 18. November, den Langener Wissenschaftspreis 2005 erhalten. Die Gruppe nahm die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung aus den Händen von Ministerialdirektor Dr. Erhard Schmidt aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung entgegen. Schauplatz war das seit 1990 im Langener Stadtteil Neurott ansässige Paul-Ehrlich-Institut, das den Preis zusammen mit der Stadtwerke Langen GmbH und in Kooperation mit der Stadt Langen im zweijährigen Rhythmus vergibt.

„Wir haben eine Forschergruppe ausgezeichnet, deren Ergebnisse den Patienten direkt zu Gute kommen werden, weil nun Genfähren in der so genannten SCID-Gentherapie sicherer gemacht werden können,“ sagte Prof. Johannes Löwer, der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, bei der Preisverleihung. SCID (Severe Combined Immunodeficiency Disease) ist eine lebensbedrohliche, angeborene Immunschwächekrankheit. In den vergangenen Jahren konnten etwa 25 Kinder, für die es keine Therapiealternative gab, mit einer Gentherapie von dieser Krankheit geheilt werden. Bei drei von diesen Kindern entwickelte sich eine Leukämie. Den Preisträgern ist es gelungen, die Ursache für die Leukämiebildung aufzuklären, und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die für die SCID-Gentherapie eingesetzten Genfähren sicherer gemacht werden können, um zukünftig diese Nebenwirkung zu verhindern.

Das sechsköpfige Kuratorium, dem neben Professor Löwer, Langens Bürgermeister Dieter Pitthan und Stadtwerke-Direktor Manfred Pusdrowski drei Wissenschaftler aus Deutschland angehören, hatte vier Bewerbungen in die engere Wahl genommen. Daraus wurden nach einer öffentlichen Vortragsreihe die Preisträger benannt. „Auch in diesem Jahr zeigt die Qualität der eingereichten Arbeiten wieder den hohen Stellenwert, den der Langener Wissenschaftspreis bei Forschern inzwischen einnimmt”, so Löwer.

Mit der Auszeichnung wollen die Initiatoren an die bahnbrechenden Leistungen Paul Ehrlichs erinnern und zugleich Anreize bieten für die Forschung auf den für die Gesundheit von Mensch und Tier bedeutsamen Gebieten der Prophylaxe und Therapie von Infektionskrankheiten, der Infektionsbiologie, der Immunologie, der Bakteriologie oder der Virologie. Sie dient damit der Entwicklung von wirksamen medizinischen Mitteln und Methoden. Vergeben wurde sie nunmehr zum siebenten Mal.

An der feierlichen Veranstaltung im Hörsaal des Instituts nahmen zahlreiche Vertreter von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft teil. Bürgermeister Pitthan, einer der Väter des Preises, erinnerte an die „mutige“ Langener Kommunalpolitik, die den Weg frei gemacht habe für die Ansiedlung von namhaften Einrichtungen wie dem Paul-Ehrlich-Institut und der benachbarten Deutschen Flugsicherung. In den achtziger Jahren sei diese Entscheidung nicht unumstritten gewesen. Kritiker hätten auf den Verzicht von Gewerbesteuereinnahmen hingewiesen und sich lieber „potente Unternehmen aus der freien Wirtschaft“ gewünscht. „Heute weiß niemand, ob wir tatsächlich Steuereinnahmen erzielt hätten. Tatsache hingegen ist, dass die damalige Entscheidung Tausende von guten Arbeitsplätzen nach Langen gebracht hat und auch eine schöne Rendite. Zu ihr zählt zum Beispiel der Langener Wissenschaftspreis“, sagte Pitthan.

Das sehen die Langener Stadtwerke ganz ähnlich. Sie zählen ebenfalls zu den Mitbegründern des Preises, sind seit Beginn an der Hauptsponsor und bürgen jedes Mal für dessen Finanzierung. „Wir sind fest verwurzelt in der Region und wir übernehmen gern Verantwortung, wenn es darum geht, das Gemeinwohl zu fördern und gesellschaftliche Akzente zu setzen“, begründete Direktor Pusdrowski das Engagement des Unternehmens. Die Stadtwerke hätten den Anspruch, mehr zu sein als bloßer Energieversorger. Sie fühlten sich als „Mitbürger“ in ihrem Versorgungsgebiet Langen und Egelsbach und möchten ihrer bürgerschaftlichen Verpflichtung auch gerecht werden – zum Beispiel durch ihr Sponsoring für den Langener Wissenschaftspreis.

Die Auszeichnung ist im Laufe der Zeit nicht nur immer bekannter geworden. Sie hat auch mehr Unterstützer gefunden. Ein Schub verlieh dieser Entwicklung vor zwei Jahren die Gründung des Vereins zur Förderung des Langener Wissenschaftspreises. Der Verein macht gute Werbung – unter anderem durch seine Homepage - und hat inzwischen die gesamte örtliche Wirtschaft erreicht. Außerdem haben Privatpersonen in Langen und Egelsbach gespendet und damit zur Finanzierung der Auszeichnung beigetragen.

Eine weitere gute Nachricht ist, dass auch die neuen Preisträger am Langener Dreieich-Gymnasium eine Unterrichtstunde geben wollen, um jungen Menschen einen Einblick in die weite Welt der Forschung zu verschaffen. Mit diesem Austausch zwischen Wissenschaft und Schule hatte die Preisträgerin von 2003, Dr. Gabriele Niedermann (Freiburg), begonnen.

Einige Informationen zu den Preisträgern und ihren Forschungsarbeiten:

Prof. Dr. med. Christopher Baum (43), Medizinische Hochschule Hannover – Abteilung Hämatologie, Hämostaseologie und Onkologie

Prof. Dr. med. Christof von Kalle (43), Leiter des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Heidelberg und Abteilung für Translationale Onkologie, DKFZ Heidelberg

Priv.-Doz. Dr. Boris Fehse (39) , Laborleiter am Zentrum für Knochenmarktransplantation, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Dr. Manfred Schmidt (38), Gruppenleiter Innere Medizin I und Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung, Universität Freiburg

Der Gentherapie liegt die Idee zugrunde, Erbkrankheiten, die durch einen Fehler im Erbmaterial verursacht werden zu behandeln, indem eine funktionierende Variante des fehlerhaften Gens übertragen wird. In den letzten Jahren sind hier große Fortschritte bei der Behandlung von neugeborenen Kindern erzielt worden, die an einer angeborenen, lebensbedrohlichen Immunschwächekrankheit leiden, an ADA-SCID (Adenosin-Desaminase Severe Combined Immunodeficiency Disease) bzw. an X-SCID (X-chromosomal vererbtem SCID).

Im Rahmen der Behandlung werden den erkrankten Patienten Blutstammzellen entnommen, in deren Erbgut (Genom) das therapeutische Gen verankert wird. Dies geschieht mit Hilfe einer retroviralen Genfähre – Retroviren besitzen die Fähigkeit, sich direkt in das Erbgut einzubauen. Die so in ihrer Funktion korrigierten Zellen gibt man den Patienten zurück.

Christopf von Kalle und Manfred Schmidt entwickelten eine Methode, um die genmodifizierten Blutstammzellen und deren im Körper des Patienten gebildeten Tochterzellen zu verfolgen. Dazu wird zunächst die genaue Position des therapeutischen Gens im Genom der Zelle identifiziert. Anschließend verfolgt man, in welchen neu gebildeten Zellen sich das therapeutische Gen in der identischen Genomposition nachweisen lässt. Bei Immunzellen erfolgreich behandelter Kinder konnten Schmidt und von Kalle identische Genompositionen der therapeutischen Gene in Blutstammzellen und in ausgereiften Immunzellen identifizieren. Damit gelang ihnen der Nachweis, dass, wie in der SCID-Gentherapie gewünscht, aus gen-korrigierten Blutstammzellen über einen Zeitraum von Monaten und Jahren genkorrigierte reife Immunzellen gebildet wurden. Dies bedeutet letztlich eine Heilung der Kinder, sie konnten anschließend ein normales Leben führen.

Bei drei der behandelten Kinder bildete sich allerdings eine Leukämie aus und es war zu klären, worin die Ursache dafür lag.

Von Kalle und Schmidt lieferten mit ihrer Methode den Nachweis, dass die Genfähren sich bei diesen Kindern nicht nur in dem gewünschten Gen verankert hatten, sondern zusätzlich in einem Krebsgen. Dies führte zu einer Aktivierung des Krebsgens und verursachte damit die Leukämie.

Christopher Baum und Boris Fehse hatten in Untersuchungen an Mäusen, die sie mit genmodifizierten Blutstammzellen behandelt hatten, entdeckt, dass häufig auch Wachstumszellen aktiviert wurden, ohne jedoch eine Leukämie auszulösen. Allerdings wiesen sie nach, dass dann eine Leukämie auftrat, wenn sehr viele Genfähren übertragen wurden und so viele Wachstums- oder Krebsgene aktiviert wurden. Inzwischen haben Baum und Fehse viele dieser Zellgene kartiert, die aktiviert werden könnten, wenn eine Genfähre in ihnen verankert wird. Damit ist es ihnen gelungen aufzuklären, welcher Mechanismus zur Genaktivierung und Vermehrung von korrigierten Zellen, aber auch zu ihrer Entartung führen kann. Auf Basis dieser Ergebnisse werden derzeit die für die SCID-Gentherapie eingesetzten Genfähren umkonstruiert, um die Sicherheit zu verbessern.

Pressekontakt:
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Aktualisiert: 18.11.2005