Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts zur angeblichen Gefahr der Übertragung von vCJK durch Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln
Das Paul-Ehrlich-Institut widerspricht Berichten, nach denen die Gefahr besteht, dass mit bestimmten Impfstoffen der Erreger der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) übertragen werden kann. Der Artikel in der dänischen Fachzeitschrift "Ugeskrift for Laeger" ("Human albumin, en mulig smittevej for prionsygdom". Der Artikel, ein Kommentar, liegt in der Pressestelle des Paul-Ehrlich-Instituts vor). Eine englische Übersetzung existiert allerdings nicht), auf den in den Meldungen Bezug genommen wird, beruft sich darauf, dass in einem Kombinations-Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln - wie in vielen anderen Impfstoffen und Arzneimitteln - aus Blutplasma gewonnenes Albumin als Stabilisator enthalten ist.
Die Frage der Übertragbarkeit von BSE und vCJK durch Arzneimittel ist nicht neu. Das PEI hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich mit der Frage befasst, ob die menschlichen Formen der TSE (transmissible spongiforme Enzephalopatie, z.B. CJK und vCJK) durch Materialien menschlichen Ursprungs, insbesondere durch Blut, Blutbestandteile wie Plasma und daraus hergestellte Produkte übertragbar sein könnten.
Bisher gibt es weltweit keinerlei Hinweise, dass vCJK durch Blut oder Blutprodukte übertragen worden sein könnte. Dennoch wurden Maßnahmen getroffen, damit das Blutplasma, aus dem Albumin wie auch andere Bestandteile gewonnen werden, nicht von Spendern stammt, die einem Risiko ausgesetzt sind, selbst an vCJK zu erkranken. Darüber hinaus haben Untersuchungen gezeigt, dass auf Grund des Herstellungsprozesses gerade in Albumin keine Infektiosität nachgewiesen werden kann, selbst wenn das Ausgangsmaterial für Studienzwecke mit großen Mengen Erreger versetzt wurde.
Im Paul-Ehrlich-Institut folgt man jedoch dem Prinzip der Risikovorsorge. Da man insgesamt über die Erkrankung vCJK noch nicht genügend weiß, sind daher zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden:
- Aus tierexperimentellen Untersuchungen gibt es Hinweise, dass Prionen, sofern sie in diesen Modellsystemen im Blut vorkommen, insbesondere mit den Leukozyten assoziiert sind. Plasma, das zur Herstellung von Albumin und anderen Blutprodukten verwendet wird, enthält nur relativ wenige Blutzellen. Bei der Herstellung von Bluttransfusionen ist es vorgeschrieben, die Leukozyten zu entfernen.
(Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts vom 09.03.2000) - Blut oder Plasma aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, wo inzwischen mehr als 100 Fälle an vCJK bekannt geworden sind, darf nicht verwendet werden.
- Wer sich zwischen 1980 und 1996 mindestens ein halbes Jahr im vereinigten Königreich aufgehalten hat, wird nicht zur Spende zugelassen. In dieser Zeit bestand dort die größte Gefahr, sich über die Nahrung mit dem BSE-Erreger zu infizieren.
(Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts vom 14.11.2000) - Personen mit Krankheitszeichen dürfen grundsätzlich kein Blut spenden. Sollte ein Spender im Nachhinein an vCJK erkranken, müssen alle Produkte, in die sein Blut oder Plasma eingegangen ist, zurückgerufen werden.
Zusammenfassend ist das PEI der Ansicht, dass nach Abwägung aller verfügbaren Daten die Verwendung von Plasmaprodukten als Arzneimittel angesichts des hohen Nutzens und des vermutlich sehr niedrigen Risikos weiterhin gerechtfertigt ist. Die Verwendung von Plasmaderivaten wie Albumin ist mit einem äußerst geringen Risiko verbunden, da Plasma aus dem vereinigten Königreich (UK) seit 1998 nicht mehr verwendet wird und da eine möglicherweise in geringer Konzentration im Blut vorhandene Infektiosität bei der Herstellung von Albumin mit hoher Wahrscheinlichkeit entfernt würde.
Zusatzinformationen:
Nach heutigem Wissensstand kann die Frage der Übertragung durch Blut für die lange bekannten "klassischen" Formen von CJK mit großer Sicherheit verneint werden. Für die 1996 erstmals beschriebene Variante von CJK (vCJK), die mit hoher Wahrscheinlichkeit als ein Übergehen von BSE über die Nahrungskette auf den Menschen anzusehen ist, liegen allerdings noch nicht ausreichende Erfahrungen und Befunde vor, um diese Frage abschließend zu beantworten. Gleichwohl ist festzuhalten, dass bei den bisher bekannt gewordenen Fällen von vCJK (106 definitive oder wahrscheinliche Fälle in UK, 3 Fälle in Frankreich, 1 Fall in Irland) weder in epidemiologischen Untersuchungen, noch in Einzelfällen der Verdacht einer Übertragung der Erkrankung durch Blut oder Blutprodukte besteht. Darüber hinaus hat man sich intensiv bemüht, durch genaue Untersuchung der Lebensumstände der bisher erkannten vCJK-Patienten, Hinweise auf Zusammenhänge mit Bluttransfusionen zu finden. Derartige Hinweise fanden sich in keine Fall. In diesem Zusammenhang ist eine Untersuchung von Lee et al. (1998) an 33 Hämophiliepatienten in UK von Interesse, die über viele Jahre mit Produkten aus UK-Plasma behandelt worden waren. In keinem Fall wurden histopathologisch Hinweise auf eine TSE gefunden.
Es sind verschiedene tierexperimentelle Studien zur Frage der Infektiosität von Blut durchgeführt worden. In den Fällen, in denen bei artifiziell infizierten Tieren eine Infektiosität des Blutes gefunden wurde, war diese sehr gering ausgeprägt. Zudem war sie in diesen Fällen überwiegend den Blutzellen zugeordnet, nur zu einem geringen Teil dem Plasma. Plasma wird bei der weiteren Herstellung der verschiedenen Produkte weiter aufgetrennt (fraktioniert). Das Albumin wird dabei aus den sogenannten Fraktionen IV und V gewonnen. Nach einer Untersuchung von Paul Brown et al. (1998) findet sich jedoch gerade in diesen beiden Fraktionen keine nachweisbare Infektiosität.
Bereits 1998 hat der CPMP die Frage, ob durch Albumin ein Risiko der Übertragung von vCJK entsteht und ob diesbezüglich Maßnahmen erforderlich sind, in einem Positionspapier ausführlich behandelt (CPMP/201/98 vom 25. 02.1998). Darin wurde als Konsequenz aus den vorliegenden Erkenntnissen zwei Strategien vorgeschlagen, die in die Praxis umgesetzt wurden:
Falls (nachträglich) festgestellt oder von einem erfahrenen Zentrum der Verdacht geäußert wird, dass ein Spender an vCJK erkrankt, sind alle erreichbaren Produkte, in die dessen Spenden eingeflossen sind, zurückzurufen.
Anmerkung: Solche Fälle sind bisher in UK aufgetreten. Betroffen waren Produkte, in die - vor dem 1998 wirksam gewordenen Verzicht auf Verwendung des heimischen Plasmas - Spenden von später an vCJK erkrankten Spendern eingeflossen sind. In keinem der Fälle ergab sich bisher ein Hinweis, dass mit solchen bereits verabreichten Produkten vCJK übertragen worden sein könnte.
Albumin ist in vielen Arzneimitteln als Stabilisator enthalten. Um umfangreiche Rückrufaktionen zu vermeiden, empfiehlt das Positionspapier, Albumin aus Ländern, in denen "a number of cases" von vCJK aufgetreten sind, nicht mehr zu verwenden. Mit dieser Empfehlung war nicht eine konkrete Einschätzung verbunden, dass Albumin als infektiös anzusehen sei, sondern vor allem der Aspekt der möglichen Versorgungsengpässe angesichts der vielen betroffenen wichtigen Arzneimittel.
Anmerkung: Eine vom Bundesministerium für Gesundheit eingesetzte Expertengruppe unter Leitung von Prof. Löwer (Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts) und Prof. Burger (Vorsitzender des Arbeitskreises Blut) ist zu der Einschätzung gekommen, dass es nicht erforderlich ist, diese Maßnahme auf andere Herkunftsländer als UK auszudehnen.
Die meisten vCJK-Patienten sind deutlich jünger, als dies von Patienten der klassichen Formen bekannt war. Daher haben insbesondere die Medien immer wieder spekuliert, ob möglicherweise Impfstoffe mit Prionen verunreinigt waren und so zu den bisher aufgetretenen Erkrankungen geführt haben könnten. Speziell zu dieser Frage haben Phil Minor et al. (2001) überzeugend dargelegt, dass ein solcher Zusammenhang aufgrund des zeitlichen Verlaufes nicht in Frage kommt (Geburtsdaten und Impfdaten der Patienten und Auftreten der Erkrankungen).
Literatur:
Department of Health UK: Monthly CJD Statistics
Lee et al. (1998): Retrospective neuropathological review of prion disease in UK haemophilia patients.
Thromb Haemost 80: 909-911
Brown et al. (1998): The distribution of infectivity in blood components and plasma derivatives in experimental models of transmissible spongiform encephalopathy.
Transfusion 38: 810-816
Minor et al. (2001): Vaccines and variant CJD.
Vaccine 19: 409-410
Löwer J: Die Risikoeinschätzung einer Übertragung von Prionkrankheiten durch Blut, Augenhornhaut und Hirnhaut.
In: Hörnlimann B, Riesner D, Kretzschmar H (Hrsg.), Prionen und Prionkrankheiten. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 2001. 440-455. ISBN 3-11-016361-6
Löwer J (2000): Übersichtsartikel: Übertragung von vCJD durch Blut und andere Gewebe
CPMP Position Statement on New Variant CJD and Plasma Derived Medicinal Porducts (CPMP/201/98)
nach oben