Paul-Ehrlich-Institut

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Be­kannt­ma­chung über die Zu­las­sung und Re­gis­trie­rung von Arz­nei­mit­teln Leu­ko­zy­ten­de­ple­ti­on von Blut­kom­po­nen­ten zur Trans­fu­si­on (An­hö­rung zur be­ab­sich­tig­ten An­ord­nung der Leu­ko­zy­ten­de­ple­ti­on) Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken Stu­fe 2 (vom 12. Mai 2000)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 114 vom 20. Juni 2000, Seite 11503

Das Paul-Ehrlich-Institut ist 1999, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 26 vom 09.02.1999, im Rahmen des Stufenplanverfahrens Stufe 1 am 18.01.1999 mit den pharmazeutischen Unternehmern von zellulären Blutprodukten und Frischplasma in einen Informationsaustausch getreten, um zu prüfen, ob es erforderlich und angemessen ist, die Sicherheit und Qualität dieser Arzneimittel durch Leukozytendepletion zu erhöhen. Seitens einzelner pharmazeutischer Unternehmer bestanden zunächst Bedenken gegen die Leukozytendepletion. Es wurden insbesondere Schwierigkeiten bei der technischen Durchführung und der Umstellung der Herstellungsabläufe befürchtet. Als ein kritischer Punkt wurde z.B. die Gefahr von Leckagen bei der Zentrifugation der Beutelsysteme mit integrierten Filtern gesehen. Diese Bedenken können zwischenzeitlich als ausgeräumt angesehen werden, weil die befürchteten Risiken tatsächlich nicht bekannt geworden sind.

Unter Berücksichtigung der Rückäußerungen der Arzneimittelhersteller, in der sich die Mehrzahl der pharmazeutischen Unternehmer positiv hinsichtlich des zu erwartenden medizinischen Nutzen geäußert hat, der Auswertung weiteren Erkenntnismaterials, wie der publizierten Fachliteratur, hält das Paul-Ehrlich-Institut im Sinne der Sicherheit und Verträglichkeit der Blutkomponenten zur Transfusion die generelle Einführung der Leukozytendepletion für geboten.

Das Paul-Ehrlich-Institut beabsichtigt nunmehr anzuordnen:

  • Es dürfen ab dem 01.01.2001 ausschließlich solche Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate in Verkehr gebracht werden, die einen Restleukozytengehalt von < 1 x 106 pro Einheit (Blutkonserve) aufweisen. Nach dem 31.12.2000 hergestelltes gefrorenes Frischplasma (GFP) darf nur in den Verkehr gebracht werden, wenn es bezüglich des Leukozytengehalts dieselben Anforderungen erfüllt. Bis dahin hergestelltes GFP darf noch bis Ende 2002 abgegeben werden.
  • Die Leukozytenabreicherung soll vor der Lagerung der Blutkomponenten mit einem geeigneten Verfahren durchgeführt werden. Die Unterlagen über die Validierung der Methodik, sofern sie nicht schon mit der Zulassung der jeweiligen Präparate vorgelegt worden sind, sind dem Paul-Ehrlich-Institut gemeinsam bis zum 01.09.2000 vorzulegen.
  • Die Anforderung an den Restleukozytengehalt müssen mehr als 90 % der geprüften Einheiten erfüllen bei einer Prüfhäufigkeit von 1 % der Einheiten, mindestens aber 4 Einheiten pro Monat bezogen auf die hergestellte Anzahl der jeweiligen Blutkomponente.

Die Maßnahme soll auf dem § 28 Abs. 3c Arzneimittelgesetz (AMG) beruhen. Sie ist geboten, um die Häufigkeit von Nebenwirkungen durch Blutkomponenten zur Transfusion zu reduzieren.

Es ist unstrittig, dass die Transfusion von leukozytendepletierten Blutkomponenten bei einer Reihe von Indikationen als medizinisch notwendig angesehen wird. Diese sind im Wesentlichen in der Stellungnahme des Arbeitskreises Blut vom 16.09.1998, abzurufen von der Homepage des RKI, zusammengefasst.

I.

Durch die Transfusion allogener, nicht leukozytendepletierter Blutkomponenten können bei bestimmungsgemäßer Anwendung unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim Empfänger ausgelöst werden, wie z.B. febrile nicht-hämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR), HLA-Alloimmunisierung, Immunsuppression und die Übertragung zellständiger Viren (Klein HG et al: Leukocyte-Reduced Blood Components: Current Status. Hematology 1998. American Society of Hematology Education Programm, 1998).

Der positive Effekt der Leukozytendepletion, die Reduktion der Häufigkeit der FNHTR (Bordin JO et al: Biologic effects of leucocytes present in transfused cellular blood products, Blood;1994, 84:1703-1721) und die Verminderung der HLA-Alloimmunisierung (Andreu G, Dewailly J: Prevention of HLA alloimmunisation by using leukocyte-depleted components. Curr Stud Hematol Blood Transfus 1994;60:29) ist belegt und der Nutzen der Leukozytendepletion zur Vermeidung von Thrombozytenrefraktärzuständen infolge von HLA-Alloimmunisierung ist in zahlreichen Studien gezeigt worden (Novotny VMJ: Prevention and Management of Platelet Transfusion refractoriness. Vox Sang 1999, 76: 1-13).

Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass Transfusionen immunsuppressiv wirken. Wenngleich die immunmodulierende Wirkung von allogenen Transfusionsreaktionen wissenschaftlich noch unzureichend untersucht ist, sprechen die vorliegenden Daten dafür, dass postoperative Infektionen durch allogene Bluttransfusionen, besonders bei erhöhtem Transfusionsbedarf, begünstigt werden. Dieser negative Transfusionseffekt wird offenbar durch die Gabe leukozytendepletierter Präparate vermindert. So haben verschiedene Arbeitsgruppen zumeist bei Patienten nach kolorektalen Tumoroperationen, aber auch nach orthopädischen Operationen beobachtet, dass die postoperative Infektionsrate durch die Anwendung leukozytendepletierter Präparate gegenüber der bei Patienten, die allogene nicht leukozytendepletierte Transfusionen erhalten haben, reduziert ist (Chang H et al: Allogeneic red blood cell transfusion is an independent risk factor for the development of postoperative bacterial infection. Vox sang 2000, 78:13-18).

Besonders hervorzuheben ist eine prospektive, randomisierte Studie von van de Watering et al. (1998) an kardiochirurgischen Patienten. Die Sterblichkeit im Beobachtungszeitraum von 60 Tagen war in der Patientengruppe, die vor oder nach der Lagerung filtrierte Erythrozytenkonzentrate erhalten hatte, im Vergleich zur Patientengruppe, die allogene nicht leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate erhalten hatte, signifikant reduziert (Van de Watering LMG et al: Beneficial effects of leukocyte depletion of transfused blood on postoperative complications in patients undergoing cardiac surgery: A randomized clinical trial. Circulation; 1998, 97/6: 562-568).

Durch Leukozytendepletion werden zellständige Viren wie z.B. CMV und HHV-8 sowie HTLV-I/II weitgehend eliminiert. Die Untergruppe des Arbeitskreises Blut, Bewertung Blutassoziierter Krankheitserreger, hat in ihrer Stellungnahme "Human T-Cell Lymphotropic Viruses Type I and II (HTLV-I/II)" (Infusionstherapie Transfusionsmed 1999; 26:321-326) ausgeführt, dass HTLV durch zelluläre Blutprodukte übertragen werden kann. Das Risiko der Übertragung in Deutschland sei bedingt durch die niedrige Prävalenz gering. Die Untergruppe empfiehlt in ihrer Stellungnahme, dass Blutspender, die aus endemischen Gebieten stammen oder diese bereist haben, hinsichtlich HTLV-I/II getestet werden sollen. Die Leukozytendepletion wird als Alternative zur Prävention der Übertragung von HTLV-I/II gesehen.

Bluttransfusionen können durch die Übertragung von CMV insbesondere bei seronegativen immunsupprimierten Patienten zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Es wird darüber hinaus vermutet, dass latente CMV-Infektionen durch immunologische Stimuli reaktiviert werden können, was insbesondere bei Schwangeren und Immunsupprimierten bedeutsam wäre. Um eine Reaktivierung einer latenten CMV-Infektion zu vermeiden, wurde die Gabe von leukozytendepletierten Blutkonserven auch für seropositive Schwangere vorgeschlagen. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand ist die Leukozytendepletion zur Prävention der transfusionsassoziierten CMV-Infektion der Testung als gleichwertig anzusehen. In ähnlicher Weise hat sich jüngst auch die American Association of Blood Banks geäußert (Association Bulletin, 99-7).

Schließlich können sehr selten zellständige Bakterien, z.B. Yersinien, mit Blut übertragen werden, die lebensgefährliche Septikämien insbesondere in immungeschwächten Patienten verursachen können. Für eine Testung der Spender steht keine praktikable Methode zur Verfügung. Die Entfernung dieser Erreger mit den Leukozyten bietet derzeit die einzige Möglichkeit der Prävention einer Übertragung.

Darüber hinaus wird die Leukozytendepletion als eine Vorsichtsmaßnahme gegen die Übertragung der neuen Variante der Creutzfeldt-Jacob Erkrankung (vCJD) angesehen. Während auf Grund der jahrzehntelangen Erfahrung davon ausgegangen werden kann, dass die klassischen Formen der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung nicht durch Blut verbreitet werden, kann die Möglichkeit einer Übertragung von vCJD durch Blut mangels epidemiologischer Daten nicht ausgeschlossen werden (Dezember 1999, Expert Meeting on Variant CJD and donor exclusion criteria für plasma-derived medical products, EMEA/CPMP/BWP/3358/99). Dazu kommt, dass, wie auch in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses für Arzneimittel und Medizinprodukte der Europäischen Kommission vom 16.02.2000 zum Ausdruck gebracht, bei der neuen Variante von CJD mit einer Infektiosität im Blut auf Grund von Daten in kleinen Labortieren, in denen die Verteilung des pathologischen Prionproteins im Körper der Verteilung des Prionproteins bei vCJD ähnlich ist, gerechnet werden muss und dass diese Infektiosität, wieder auf Grund von Daten in diesen Labortieren, überwiegend mit Leukozyten assoziiert ist. Der Ausschuss hält es daher für angeraten, die Leukozytendepletion als eine Vorsichtsmaßnahme einzuführen.

II.

Die Leukozytendepletion ist vor der Lagerung vorzunehmen, da nur dadurch die gewünschten Effekte, d.h. die Entfernung zellständiger Erreger, die Verminderung der FNHTR und die gleichmäßig hohe Arzneimittelqualität in vollem Umfang erzielt werden können.

Grundsätzlich kann die Leukozytendepletion zwar vor oder nach der Lagerung der Blutkomponenten durch den Hersteller oder bettseitig unmittelbar vor der Transfusion erfolgen. Wie bereits dargestellt, sprechen aber einige Aspekte für die möglichst frühzeitige Leukozytenentfernung. So kann die während der Lagerung einsetzende Desintegration von Leukozyten zur Freisetzung von zellständigen Viren und Bakterien führen. Während der Lagerung von Thrombozytenkonzentraten kommt es abhängig vom Anteil an Leukozyten zum Anstieg von inflammatorischen Zytokinen und Leukotrienen in den Präparaten. Die bettseitige Filtration über Transfusionssysteme mit integriertem Leukozytenfilter erfolgt stets nach der Lagerung der Blutkomponenten mit den oben aufgeführten Nachteilen und ist nicht qualitätskontrolliert. Darüber hinaus gibt es mehr als 80 Berichte über einen z.T. lebensbedrohlichen Blutdruckabfall innerhalb weniger Minuten bei Empfängern von Thrombozytenkonzentraten bei bettseitiger Filtration.

Geeignete Verfahren zur Leukozytendepletion für Blutkomponenten aus der Vollblutentnahme sind:

  • die Filtration von Vollblut mit anschließender Separation in ein leukozytendepletiertes Erythrozytenkonzentrat und ein leukozytendepletiertes Plasma;
  • die Filtration der einzelnen Komponenten Erythrozytenkonzentrat und Plasma nach der Auftrennung
  • die Filtration von 4 bis 6 Einzel-Thrombozytenkonzentraten oder Buffy Coats nach Zusammenführung zur Herstellung eines Pool-Thrombozytenkonzentrates.

Geeignete Verfahren für die Herstellung leukozytendepletierter Blutkomponenten mittels Apherese sind:

  • die Filtration der Komponenten;
  • die Leukozytenabreicherung durch speziell geformte Einsätze im Aphereseset;
  • die Optimierung der Zentrifugationsbedingungen einschließlich der Zentrifugationskammer.

Der Leukozytenfilter kann im Beutelset integriert sein oder mittels eines so genannten Sterilschweißgerätes verbunden werden.

Sofern die Leukozytendepletion durch Filtration nach der Vollblutentnahme erfolgt, sollte das Vollblut vor der Weiterverarbeitung (Filtration des Vollblutes bzw. Komponententrennung vor der Filtration der Komponenten) erst nach einer Lagerung des Vollblutes von mindestens 4 bis 6 Stunden bei Raumtemperatur erfolgen, um das Abtöten kontaminierender Bakterien durch bakterizide Mechanismen des Blutes oder das Eindringen von Bakterien in Phagozyten zu ermöglichen (Vergl. Stellungnahme des Arbeitskreises Blut: Yersinia enterocolitica, abzurufen von der Homepage des RKI.

Damit zellständige Erreger sicher entfernt werden können, muss seitens der pharmazeutischen Unternehmer gezeigt werden (z.B. durch Zählung mit Vitalfarbstoff), dass die Lagerungsbedingungen (Zeit, Temperatur) vor der Filtration nicht zur Desintegration der Leukozyten führen.

Der Restleukozytengehalt darf 1x106 Leukozyten pro Transfusionseinheit nicht überschreiten. Diese Anforderung müssen entsprechend den europäischen Richtlinien "Guides to the preparation, use and quality assurance of blood components" (Council of Europe, 6th Ed. Jan. 2000) mehr als 90 % der geprüften Einheiten erfüllen bei einer Prüfhäufigkeit von 1%, mindestens aber 4 Einheiten bezogen auf die pro Monat hergestellte Anzahl der jeweiligen Blutkomponente.

III.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Maßnahme unter Berücksichtigung des derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes geboten ist.

Der Nutzen der Leukozytendepletion der Blutkomponenten zur Transfusion im Hinblick auf die Reduktion der HLA-Alloimmunisierung, der Reduktion der leukozyten-vermittelten Fieberreaktionen sowie der Vermeidung der Übertragung zellständiger Viren und somit der Prävention vielfältiger sich daraus ergebender medizinischer Komplikationen ist nämlich belegt.

Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig, da effektive und schonende Verfahren zur Leukozytendepletion zur Verfügung stehen. Im Hinblick auf die Übertragung zellständiger Viren, Bakterien und zur Vermeidung der Alloimmunisierung ist ein möglichst niedriger Restleukozytengehalt anzustreben. Der geforderte Restleukozytengehalt von < 1x106 pro Einheit ist technisch derzeit realisierbar.

Die meisten Blutspendeeinrichtungen verfügen bereits über fiktiv zugelassene, zugelassene bzw. in Zulassung befindliche leukozytendepletierte Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate und GFP.

Der Zeitpunkt bis zur Umsetzung ist realisierbar, da, wie dargestellt, die Technik zumeist bereits implementiert worden ist und der Zeitrahmen hinsichtlich der Erweiterung der Kapazität zur Herstellung ausschließlich leukozytendepletierter Blutkomponenten zur Transfusion und der damit verbundenen logistischen Probleme ausreichend erscheint. Die Möglichkeit, dass GFP, das bis zum 31.12.2000 nicht-leukozytendepletiert hergestellt wurde, noch weitere zwei Jahre abverkauft werden darf, ist vertretbar, weil ansonsten zu befürchten ist, dass die Versorgung der Bevölkerung nicht gewährleistet ist.

Es wird Ihnen Gelegenheit gegeben, zu dieser beabsichtigten Maßnahme bis zum 15.06.2000 Stellung zu nehmen.

In Vertretung

Prof. Dr. K. Cichutek

Aktualisiert: 20.06.2000