Paul-Ehrlich-Institut

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Zur Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts möchten wir gerne statistische Informationen vollständig anonymisiert erfassen und analysieren. Dürfen wir hierzu vorübergehend einen Statistik-Cookie setzen?

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit in unserer Datenschutzerklärung widerrufen.

OK

Ver­min­de­rung des Ri­si­kos von HIV - In­fek­tio­nen durch zel­lu­lä­re Blut­pro­duk­te und ge­fro­re­nes Frisch­plas­ma (An­hö­rung der phar­ma­zeu­ti­schen Un­ter­neh­mer, die zel­lu­lä­re Blut­pro­duk­te und ge­fro­re­nes Frisch­plas­ma in den Ver­kehr brin­gen, zur be­ab­sich­tig­ten An­ord­nung der Tes­tung auf HIV-1-Ge­no­me mit Nu­kle­in­säu­re-Am­pli­fi­ka­ti­ons­tech­ni­ken) (vom 23. April 2001)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr.90 vom 16. 05. 2001, S. 9506

Das Paul-Ehrlich-Institut beabsichtigt, folgende Auflagen anzuordnen:

  1. Es dürfen nur noch Vollblutkonserven, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate sowie gefrorenes Frischplasma, hergestellt aus Vollblut, in den Verkehr gebracht werden, zu deren Herstellung ausschließlich Blutspenden verwendet wurden, die mittels einer geeigneten Nukleinsäure-Amplifikationstechnik (NAT), z.B. Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR), getestet und bei denen keine Virusgenome des humanen Immundefizienz Virus Typ 1 (HIV-1) nachgewiesen worden sind. Für mittels Plasmapherese hergestelltes quarantänegelagertes gefrorenes Frischplasma dürfen nur Spenden verwendet werden, bei denen sichergestellt ist, dass der Spender spätestens drei Monate nach der Spende entsprechend untersucht worden ist. Die verwendete Methode muss so ausgelegt sein, dass mindestens eine Konzentration von HIV-1-RNA von 10.000 IU / ml, bezogen auf die Einzelspende, verlässlich erkannt wird (Referenzpräparat: WHO-Standard für HIV-1-RNA-NAT (97/656); 105 IU / ml).
  2. Die Methode muss grundsätzlich nach den CPMP-Leitfäden "Note for Guidance on Validation of Analytical Procedures: Methodology" (CPMP/ICH/281/95) und "Note for Guidance on Validation of Analytical Methods: Definitions and Terminology" (CPMP/ICH/381/95) mit Hilfe von Referenzpräparaten validiert worden sein. Der Umfang der Validierung der HIV-1 NAT ist analog der Empfehlung zur HCV -NAT durchzuführen. Abweichungen sind zu begründen. Die Unterlagen über die Validierung der NAT sind dem Paul-Ehrlich-Institut vor der Einführung des Prüfverfahrens, spätestens am 01.10.2001 vorzulegen.
  3. Als Frist zur Umsetzung der Maßnahme ist der 01. Januar 2002 vorgesehen

Die Anordnung der o.g. Auflagen, die auf § 28 Absatz 3c AMG gestützt werden, ist geboten, um das Risiko der HIV-Übertragung durch Transfusionen weiter zu vermindern. Bei zellulären Blutprodukten, die bislang keiner Inaktivierung unterzogen werden können, besteht die Gefahr der Übertragung einer HIV-Infektion, wenn die Infektion bei dem Blutspender noch nicht zu einer mit Antikörpertests erkennbaren Antikörperbildung geführt hat (diagnostisches Fenster).

Eine HIV-Infektion führt in der Regel zur AIDS-Erkrankung, die trotz der fortgeschrittenen Therapiemöglichkeiten auch heute noch zumeist tödlich verläuft. Bereits im Jahr 1997 hat das Paul-Ehrlich-Institut die pharmazeutischen Unternehmer von Erythrozytenkonzentraten zu der beabsichtigten Maßnahme auf Einführung der NAT-Testung auf Hepatitis B Virus-, Hepatitis C Virus- und HIV-1-Genome im Spenderscreening angehört. Da damals weder geeignete kommerzielle Testsysteme noch ein internationaler Standard für HIV-1 zur Verfügung standen, wurde die NAT- Testung auf HIV-1-Genome nicht angeordnet. Zwischenzeitlich sind dem Paul-Ehrlich-Institut vier HIV-Übertragungen durch zelluläre Blutprodukte gemeldet worden, die aus Spenden hergestellt wurden, in denen zum Zeitpunkt der Spende mit dem eingesetzten serologischen Test noch keine Antikörper nachweisbar waren. Die mittels PCR bestimmten Virustiter in den Rückstellproben waren aber in allen vier Fällen relativ hoch (17.000, 25.000 bzw. in zwei Fällen >75.000 Genomäquivalente pro ml; 1 Genomäquivalent entspricht etwa 2 IU).

Die Einführung der HIV-NAT ist geeignet, das Risiko der HIV-Übertragung durch Blutkomponenten weiter zu vermindern, zumal die Einführung der HIV-1-NAT im Blutspendewesen in Deutschland technisch möglich erscheint.

Untersuchungen des Paul-Ehrlich-Instituts zur Virämie in der frühen Infektionsphase und zur Verkürzung des diagnostischen Fensters durch die HIV-NAT wurden durch neuere Untersuchungen bestätigt (M. P. Busch "HIV, HBV and HVC: New developments related to transfusion safety" Vox Sang 2000;78 (suppl.2): 253-256). Durch die HIV-NAT kann danach das diagnostische Fenster um 10 bis 15 Tage verkürzt werden. Entsprechend der im Vergleich zu HCV langsameren Verdopplungsrate der HI-Viren weisen die Proben zu Beginn der Infektion zunächst niedrigere Titer (<1.000 Genomäquivalente / ml) auf, die dann aber noch in der Fensterphase bis zu 107 Genomäquivalente/ml ansteigen können. Beschrieben wurde eine HIV-Übertragung durch Blutkomponenten, die einen Titer unter 100 Genomäquivalente / ml aufwiesen (Ling et al: JAMA 284:210-214, 2000).

Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden für den Zeitraum Juni 1998 bis Dezember 2000 vier HIV-Übertragungen durch Blutkomponenten gemeldet, deren Spender nach NAT-Untersuchung von Rückstellproben einen Virustiter von >10.000 Genomäquivalente/ml aufwiesen. Darüber hinaus ist dem Paul-Ehrlich-Institut bekannt, dass von Einrichtungen, welche die HIV-NAT-Testung im Rahmen von Studien bereits durchführen, zwischen 1997 und 2000 drei HIV-1-positive Spender erkannt wurden.

Eine Studie in Blutspendeeinrichtungen der USA ergab, dass von 12,6 Millionen seronegativen Blutspenden im Zeitraum 03/1999 bis 06/2000 vier Spenden in den kommerziellen TMA HIV-1/HCV Assay und AmpliScreen HIV-1 Test positiv getestet wurden (Daten der AABB aus Transfusion 2000; 40:1165-1168).

Auch für in Quarantäne gelagertes Frischplasma ist diese Anordnung zur Risikovorsorge geboten. Weder aus der wissenschaftlichen Literatur noch aus den dem Paul-Ehrlich-Institut vorliegenden Verdachtsmeldungen gibt es Hinweise dafür, dass eine HIV-Infektion nach sechs Monaten Quarantänelagerung nicht erkannt werden kann. Dennoch ist hier im Rahmen der Risikovorsorge die Maßnahme geboten, da die theoretische Möglichkeit besteht, dass ein Spender eine Antikörperkonstellation aufweist, der durch die auf dem Markt befindlichen Tests nicht erkannt wird. Dieser Spender würde dann auch bei der Folgespende möglicherweise unerkannt bleiben, wohl aber durch eine NAT-Testung auf HIV-1-Genome in Erscheinung treten. Unter Abwägung des Aufwandes der HIV-1-NAT-Testung auch für in Quarantäne gelagertes Frischplasma mit dem wenn auch bisher theoretischen Risikos kann das mögliche Risiko nicht in Kauf genommen werden. Auch die Testung des Spenders mit einem anderen Antikörpertest zum Zeitpunkt der Freigabe der Spende kann dieses mögliche Risiko nicht sicher verhindern, da die Ursache für ein Nichterkennen auch an einer mangelhaften Antikörperbildung des Infizierten liegen kann. NAT-Testungen weisen dagegen das Erbgut des Erregers nach, beruhen also auf einem grundsätzlich anderem Nachweisprinzip, das nicht direkt von der Immunantwort des Infizierten abhängig ist.

Die Testung der Spender auf HIV-1-Genome muss auch für die Herstellung von mittels Plasmapherese gewonnenem Frischplasma durchgeführt werden, da die Häufigkeit der Testung nichts an dem möglichen Risiko, dass ein Spender keine Antikörper bildet oder dass der Test die Antikörper nicht erkennt, ändert. Allerdings ist hier im Hinblick auf das mögliche geringe Risiko der Aufwand der Testung von jeder Spende nicht gerechtfertigt. Plasmapheresespender können mehrmals im Monat zur Spende zugelassen werden. Es wird daher als ausreichend angesehen, dass diese Spender im Abstand von mindestens drei Monaten auf HIV-1-Genome untersucht werden. Durch die zusätzliche Testung soll nämlich ausgeschlossen werden, dass im Falle des Nichterkennens eines Antikörpertestes ein look-back-Verfahren über einen Zeitraum von sechs Monaten nicht durchgeführt wird und damit mehrere möglicherweise infektiöse Plasmaspenden freigegeben werden. Ein Screening auf HIV-1-Genome in einem Abstand von drei Monaten bei quarantänegelagertem Plasma ist ausreichend, zumal das Nichterkennen einer Spende im Antikörpertest nach sechsmonatiger Quarantänelagerung ein bisher nur theoretisches Risiko ist.

Seit der Anhörung von 1997 zur Einführung von NAT in das Blutspendescreening haben sich die technischen Voraussetzungen verbessert. Verschiedene Blutspendeeinrichtungen in Deutschland haben inzwischen NAT-Tests zum Nachweis von HIV-1-RNA entwickelt. In der Regel wird die für die HCV-NAT verwendete Pooling-Strategie und Nukleinsäureextraktionsmethode genutzt. Es werden bis zu 96 Einzelspenden in einem Pool zusammengefasst und im Rahmen von Studien im Blutspendescreening auf HIV-1-RNA getestet. Soweit dem Paul-Ehrlich-Institut bekannt, liegen die analytischen Sensitivitäten zwischen 2.000 und >10.000 Genomäquivalente/ml, bezogen auf die Einzelspende. Die Quantifizierung der HIV-1-Genomkonzentration nimmt auf den seit November 1999 verfügbaren WHO-Standard für HIV-1-NAT (Nr.97/656) Bezug, der auf dem Subtyp B basiert. Eine Ampulle enthält definitionsgemäß 105 IU / ml, wobei etwa 2 IU einem Genomäquivalent entsprechen. Es ist sicherzustellen, dass die HIV-1-NAT die verschiedenen Subtypen mit annähernd gleicher Effizienz erkennt.

Im Hinblick auf das öffentliche Interesse, das Risiko der Übertragung von schweren Infektionskrankheiten mit Blutprodukten zu vermindern, ist eine dazu geeignete Maßnahme auch dann gerechtfertigt, wenn sie seitens der pharmazeutischen Unternehmer erhebliche Anstrengungen verlangt.

Zum heutigen Zeitpunkt erscheint die Einführung einer HIV-1-NAT für das Blutspendescreening mit einer Empfindlichkeit bezogen auf die Einzelspende von 10.000 IU / ml möglich und geeignet, die Sicherheit der Blutspenden bezüglich HIV noch weiter zu erhöhen.

Die geforderte Sensitivität von 10.000 IU/ml bezogen auf die Einzelspende wird zum derzeitigen Zeitpunkt auch als ausreichend und angemessen angesehen, obwohl die HI-Viruslast zu Beginn der Infektion langsam ansteigt und eine Übertragung einer HIV-Infektion bei einer Virusmenge von <100 Genomäquivalenten/ ml berichtet wurde. Die vier dem Paul-Ehrlich-Institut berichteten HIV-Übertragungen wären bei einer NAT-Testung mit einer Sensitivität von 10.000 IU / ml erkannt worden. Die mögliche Verminderung des Restrisikos durch eine weitere Erhöhung der Sensitivität auf <100 Genomäquivalente/ ml wird als so gering angesehen, dass der damit verbundene Aufwand derzeit nicht gerechtfertigt erscheint. Bei einer Sensitivität von 10.000 IU/ml kann die seit dem 01.04.2000 vorgeschriebene NAT-Testung für HCV mit HIV verbunden und analog durchgeführt werden. Eine höhere Sensitivität würde eine neue Logistik erfordern, die erfahrungsgemäß in der Anlaufphase mit neuen Risiken verbunden ist.

Die Validierungsunterlagen sind dem PEI nach § 28 Abs. 3c Nr.2 vorzulegen. Diese Maßnahme ist erforderlich, da nach den Arzneimittelprüfrichtlinien vom 05.05.1995, BAnz. Nr. 96a vom 20.05.1995, (1. Abschnitt C, Allgemeine Anforderungen) die angewandten Methoden und Verfahren grundsätzlich validiert sein müssen. Anerkannte Richtlinien für die Durchführung der Verfahren wie z.B. hier die CPMP-Leitfäden "Note for Guidance on Validation of Analytical Procedures: Methodology" (CPMP/ICH/281/95) und "Note for Guidance on Validation of Analytical Methods: Definitions and Terminology" (CPMP/ICH/381/95) müssen dabei berücksichtigt werden.

Die Unterlagen sind dem Paul-Ehrlich-Institut so rechtzeitig vorzulegen, dass eine ordnungsgemäße Überprüfung durch das PEI erfolgen kann. Eine Frist von drei Monaten ist hierbei angemessen.

Den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern wird Gelegenheit gegeben, zu der beabsichtigten Maßnahme innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger Stellung zu nehmen.

Langen, den 23.04.2001

Prof. Dr. J. Löwer

Kommissarischer Leiter des

Paul-Ehrlich-Instituts

Aktualisiert: 16.05.2001