Paul-Ehrlich-Institut

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Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken; Ver­min­de­rung des Ri­si­kos von Chi­kun­gun­ya - In­fek­tio­nen durch zel­lu­lä­re Blut­pro­duk­te und ge­fro­re­nes Frisch­plas­ma, An­ord­nung der Spen­der­rück­stel­lung von Per­so­nen, die sich in den letz­ten zwei Wo­chen in ei­nem Chi­kun­gun­ya-En­de­mie­ge­biet auf­ge­hal­ten ha­ben (vom 24. Ja­nu­ar 2007)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 37 vom 22.02.2007, S. 1898

Nach schriftlicher Anhörung des Paul-Ehrlich-Instituts vom 13.11.2006, ergeht an die pharmazeutischen Unternehmer, die zelluläre Blutprodukte und gefrorenes Frischplasma in den Verkehr bringen, folgender

Bescheid:

  1. Bei der Herstellung von Vollblut, zellulären Blutkomponenten und gefrorenen Frischplasmen, die keinem Verfahren zur Virusinaktivierung unterworfen wurden, darf kein Ausgangsmaterial aus Spenden verwendet werden, deren Spender sich innerhalb von zwei Wochen vor der Blut- oder Plasmaspende in einem Chikungunya-Endemiegebiet aufgehalten haben. Das betrifft zurzeit alle afrikanischen Staaten südlich der Sahara sowie den gesamten südostasiatischen Raum.

  2. Eine Entscheidung über die Kosten ergeht durch gesonderten Bescheid.

Begründung:

Die Auflage beruht auf den Bestimmungen von § 28 Abs. 3 c Satz 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG).

Danach kann das Paul-Ehrlich-Institut, soweit es zur Risikovorsorge geboten ist, bei den oben genannten. Arzneimitteln durch Auflage anordnen, dass bei ihrer Herstellung und Kontrolle bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden.

Die Auflage ist geboten, um dem Risiko der Übertragung des Erregers von Chikungunya-Fieber durch die Transfusion der oben genannten Arzneimittel vorzubeugen.

Chikungunya-Fieber ist eine in Süd- und Südostasien sowie in Afrika südlich der Sahara vorkommende Virusinfektion. Der Name leitet sich von der einheimischen Bezeichnung für starkes Krümmen ab. Die verkrampfte Beugehaltung entsteht als Folge von starken Gelenkschmerzen. Die Erkrankung ist erstmals 1952 in Tansania beobachtet worden. Die Erreger des Chikungunya-Fiebers sind Arbo-Viren aus der Familie Togaviridae, Genus Alphavirus. Sie werden durch Mückenstiche auf den Menschen übertragen.

Theoretisch können verschiedene Mückenarten das Virus übertragen, bewiesen ist die Übertragung bisher nur bei der aus Ostasien stammenden Asiatischen Tigermücke. Diese nur etwa fünf Millimeter große, schwarz-weiß gestreifte Mücke hat sich weltweit ausgebreitet und überträgt neben dem Chikungunya-Fieber auch andere Krankheiten wie das Dengue-Fieber oder das Gelbfieber. Diese Mückenart kommt mittlerweile in heißen Sommermonaten auch in Südeuropa vor. Bislang sind jedoch noch keine mit dem Chikungunya-Virus infizierten Exemplare nachgewiesen worden.

Chikungunya-Fieber verursacht im Wesentlichen die gleichen Symptome wie das Dengue-Fieber. Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich zwei bis acht Tagen kommt es plötzlich zu hohem Fieber, Schüttelfrost und Gliederschmerzen sowie Gelenkschmerzen. Danach kommt es zu einer Phase mit Fieberabfall und Besserung der Allgemeinsymptome. In einigen Fällen kann es zu einem erneuten Fieberanstieg mit sehr starken Schmerzen der kleinen Gelenke und Hautausschlag kommen. Bei schweren Verläufen halten die Gelenkbeschwerden monatelang an. Zudem wurde auch von ausgeprägten hämorrhagischen Verläufen berichtet. Bei den tödlich verlaufenden Fällen lag meistens eine ZNS-Beteiligung vor.

Im Jahre 1999 gab es einen Ausbruch von Chikungunya in Malaysia, bei dem 27 Personen betroffen waren. Seit Dezember 2005 grassiert auf der französischen Insel La Réunion eine Chikungunya-Epidemie. Bis Ende 2006 waren dort nach Angaben der Behörden 186 000 Personen infiziert und knapp 100 Menschen sind an den Folgen der Infektion verstorben. Auf Mauritius waren im Jahre 2005 etwa 3.500 Personen betroffen.

Die Erkrankung kann in Deutschland nicht erworben werden, da die Überträgermücke hierzulande zurzeit nicht vorkommt. In Deutschland wurden allerdings bereits Patienten ärztlich behandelt, die sich im Urlaub infiziert hatten.

Wenngleich bislang nicht nachgewiesen wurde, dass das Virus durch Blutkomponenten übertragbar ist, so ist doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein solcher Übertragungsweg als hochwahrscheinlich anzunehmen – insbesondere da das Virusgenom mittels einer NAT-Untersuchung in Blutprodukten nachweisbar ist. Mit dem PCR-basierten Nachweisverfahren kann das Virus aus Blutproben des Patienten mit hoher Spezifität und Sensitivität nachgewiesen werden. In den meisten Fällen gelingt der Nachweis des Virus mittels PCR jedoch nur während einer kurzen Phase bei Krankheitsbeginn (in den ersten 5 Krankheitstagen). Eine vorsorgliche Rückstellung potentiell infizierter Spender wäre daher in jedem Fall, selbst bei der Etablierung eines PCR-Screening, zu erwägen. Ebenfalls verfügbar ist ein Antikörper-Test (ELISA), mit dem allerdings frühestens 10 Tage nach Infektion ein Nachweis möglich ist.

Aufgrund der kurzen virämischen Phase (max. 8 Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome) muss bei Spendern nach einer akuten Erkrankung mit dem Chikungunya-Erreger keine gesonderte Rückstellungsfrist beachtet werden. Die Rückstellungsfrist von 4 Wochen, die entsprechend der Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen (Hämotherapie- Richtlinie 2.2.2.1) für akute Infektionen eingehalten werden soll, ist nach Einschätzung des Paul-Ehrlich-Institutes ausreichend.

Um auszuschließen, dass aus einem Endemiegebiet kommende, infizierte aber noch symptomfreie Personen infektiöses Blut spenden, ist aus Sicht des Paul-Ehrlich-Institutes die Anordnung der oben genannten Maßnahme geboten. Dabei wird ein Zeitraum von zwei Wochen nach Rückkehr aus dem Endemiegebiet für erforderlich gehalten, um auch überdurchschnittlich lange Inkubationszeiten zu erfassen.

Die Einwände einiger pharmazeutischer Unternehmer, dass die oben genannte Anordnung nicht erforderlich sei, da Spender nach einem Aufenthalt in den Chikungunya-Endemiegebieten bereits durch den sogenannten „Malaria-Ausschluss“ erfasst seien, sind nicht geeignet, das Absehen von der Maßnahme zu begründen, da Chikungunya-Infektionen bereits in „malariafreien“ Gebieten (z. B. Réunion und Seychellen) aufgetreten sind.

Zudem ist nicht auszuschließen, dass Chikungunya-Infektionen auch in weiteren Gebieten endemisch werden. In diesem Fall müsste die vorliegende Anordnung an die jeweilige Verbreitung der Endemie angepasst werden.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger als bekannt gegeben.

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Straße 51-59, 63225 Langen, schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben.

Hinweis:

Die Umsetzung der Anordnung ist dem Paul-Ehrlich-Institut durch Änderungsanzeige gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) unverzüglich mitzuteilen.
Falls der pharmazeutische Unternehmer eine Spenden-Stammdokumentation eingereicht hat (vgl. Bundesanzeiger Nr. 187 vom 06.10.2001, S. 21361) und diese vom Paul-Ehrlich-Institut bestätigt wurde, kann die Änderungsanzeige für diese Stammdokumentation erfolgen.

Langen, den 24. Januar 2007

Paul-Ehrlich-Institut
– Bundesamt für Sera und Impfstoffe –
Prof. Dr. med. J. L ö w e r

Aktualisiert: 08.08.2007