Paul-Ehrlich-Institut

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Be­kannt­ma­chung des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts über die Er­geb­nis­se des Stu­fen­plan­ver­fah­rens zur Ein­füh­rung der Leu­ko­zy­ten­de­ple­ti­on von zel­lu­lä­ren Blut­pro­duk­ten zur Trans­fu­si­on (vom 18. Au­gust 2000)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 174 vom 14. September 2000, S. 18396

Das Paul-Ehrlich-Institut ist im Rahmen des Stufenplanverfahrens Stufe 1, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 26 vom 09.02.1999, und Stufe 2, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 114 vom 20.06.2000, mit den pharmazeutischen Unternehmern von zellulären Blutprodukten und Frischplasma in einen Informationsaustausch getreten, um zu prüfen, ob es erforderlich und angemessen ist, die Sicherheit und Qualität von Blutkomponenten zur Transfusion durch Leukozytendepletion zu erhöhen.

In Abänderung der im Anhörungsschreiben zu diesem Bescheid angekündigten Maßnahmen sieht das Paul-Ehrlich-Institut derzeit davon ab, gefrorenes Frischplasma (GFP) in die Maßnahmen einzubeziehen. Die Auswertung der Stellungnahmen der pharmazeutischen Unternehmer hat nämlich gezeigt, dass in der Regel die Leukozytenzahl im GFP weitaus geringer ist als die in den "Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)" festgelegte Obergrenze von 5x108/Liter. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass durch das Einfrieren dieser Arzneimittel zur vorgeschriebenen Quarantänelagerung die Zellen, die zur Alloimmunisierung führen, drastisch reduziert werden. Andererseits fehlen derzeit spezifische Belege durch prospektive klinische Studien, dass die Leukozytendepletion von GFP einen positiven Effekt auf die Verminderung der Alloimmunisierung oder Verhinderung von Virusübertragungen und bakteriellen Infektionen hat.

Es werden daher folgende Anordnungen getroffen:

BESCHEID

  1. Es dürfen ab dem 01.10.2001 ausschließlich solche Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate in Verkehr gebracht werden, deren Leukozytengehalt weniger als 1 x 106 pro Einheit (Blutkonserve) beträgt. Für Thrombozytenkonzentrate bezieht sich die Begrenzung der Leukozytenzahl auf die therapeutische Standarddosis entsprechend einem Thrombapheresekonzentrat oder Thrombozytenkonzentraten aus 4 bis 6 Vollblutspenden.

    Die Leukozytenabreicherung ist vor der Lagerung der Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate mit einem geeigneten Verfahren durchzuführen.

    Die Anforderung an die Begrenzung der Leukozytenzahl müssen bei mehr als 90% der geprüften Einheiten erfüllt sein.

  2. Die Unterlagen über die Validierung der Leukozytendepletion sind dem Paul-Ehrlich-Institut bis zum 01.04.2001 vorzulegen, sofern sie nicht schon mit dem Antrag auf Zulassung oder Verlängerung der Zulassung der jeweiligen Präparate eingereicht worden sind.

  3. Die Kosten werden gesondert festgesetzt.

Begründung:

Die Maßnahmen beruhen auf § 28 Abs. 3c Nr. 1 und 2 Arzneimittelgesetz (AMG). Sie sind geboten, um eine Qualität dieser Produkte zu gewährleisten, bei der die Häufigkeit von Nebenwirkungen reduziert wird.

Es ist belegt, dass die Leukozytendepletion der Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate zur Transfusion im Hinblick auf die Reduktion der HLA-Alloimmunisierung, der Reduktion der Leukozyten-vermittelten Fieberreaktionen sowie der Vermeidung der Übertragung zellständiger Viren und somit der Prävention vielfältiger sich daraus ergebender medizinischer Komplikationen einen Nutzen darstellt. Daher wird die Leukozytendepletion dieser Blutkomponenten bei einer Reihe von Indikationen als medizinisch notwendig angesehen. Diese sind im wesentlichen in der Stellungnahme des Arbeitskreises Blut vom 16.09.1998 zusammengefasst, abzurufen von der Homepage des Robert-Koch-Instituts.

Durch die Transfusion allogener, nicht leukozytendepletierter Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate können bei bestimmungsgemäßer Anwendung unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim Empfänger ausgelöst werden, wie z.B. febrile nicht-hämolytische Transfusionsreaktionen (FNHTR), HLA-Alloimmunisierung, Immunsuppression und die Übertragung zellständiger Viren (Klein HG et al: Leukocyte-Reduced Blood Components: Current Status. Hematology 1998. American Society of Hematology Education Programm, 1998).

Der positive Effekt der Leukozytendepletion, die Reduktion der Häufigkeit der FNHTR (Bordin JO et al: Biologic effects of leucocytes present in transfused cellular blood products, Blood;1994, 84:1703-1721) und die Verminderung der HLA-Alloimmunisierung (Andreu G, Dewailly J: Prevention of HLA alloimmunisation by using leukocyte-depleted components. Curr Stud Hematol Blood Transfus 1994;60:29) ist belegt und der Nutzen der Leukozytendepletion zur Vermeidung von Thrombozytenrefraktärzuständen infolge von HLA-Alloimmunisierung ist in zahlreichen Studien gezeigt worden (Novotny: VMJ Prevention and Management of Platelet Transfusion refractoriness. Vox Sang 1999, 76: 1).

Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass Transfusionen immunsuppressiv wirken. (Chang H et al: Allogeneic red blood cell transfusion is an independent risk factor for the development of postoperative bacterial infection. Vox Sang 2000, 78:13-18). Wenngleich die immunmodulierende Wirkung von allogenen Transfusionsreaktionen wissenschaftlich noch unzureichend untersucht ist, sprechen die vorliegenden Daten dafür, dass postoperative Infektionen durch allogene Bluttransfusionen, besonders bei erhöhtem Transfusionsbedarf, begünstigt werden. Dieser negative Transfusionseffekt wird offenbar durch die Gabe leukozytendepletierter Präparate vermindert. So haben verschiedene Arbeitsgruppen zumeist bei Patienten nach kolorektalen Tumoroperationen, aber auch nach orthopädischen Operationen beobachtet, dass die postoperative Infektionsrate durch die Anwendung leukozytendepletierter Präparate gegenüber der bei Patienten, die allogene nicht leukozytendepletierte Transfusionen erhalten haben, reduziert ist.

Besonders hervorzuheben ist eine prospektive, randomisierte Studie von van de Watering et al. (1998) an kardiochirurgischen Patienten. Die Sterblichkeit im Beobachtungszeitraum von 60 Tagen war in der Patientengruppe, die vor oder nach der Lagerung leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate erhalten hatte, im Vergleich zur Patientengruppe, die allogene nicht leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate erhalten hatte, signifikant reduziert (Van de Watering LMG et al.: Beneficial effects of leukocyte depletion of transfused blood on postoperative complications in patients undergoing cardiac surgery: A randomized clinical trial. Circulation; 1998, 97/6:562)

Durch Leukozytendepletion werden zellständige Viren wie z.B. CMV und HHV-8 sowie HTLV-I/II weitgehend eliminiert. Die Untergruppe des Arbeitskreises Blut, Bewertung Blutassoziierter Krankheitserreger, hat in ihrer Stellungnahme "Human T-Cell Lymphotropic Viruses Type I and II (HTLV-I/II)" (Infusionstherapie Transfusionsmed 1999; 26:321-326) ausgeführt, dass HTLV durch zelluläre Blutprodukte übertragen werden kann. Das Risiko der Übertragung in Deutschland sei bedingt durch die niedrige Prävalenz gering. Die Untergruppe empfiehlt in ihrer Stellungnahme, dass Blutspender, die aus endemischen Gebieten stammen oder diese bereist haben, hinsichtlich HTLV- I/II getestet werden sollen. Die Leukozytendepletion wird als Alternative zur Testung der Spender zur Prävention der Übertragung von HTLV-I/II gesehen.

Bluttransfusionen können durch die Übertragung von CMV insbesondere bei seronegativen immunsupprimierten Patienten zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen. Es wird darüber hinaus vermutet, dass latente CMV-Infektionen durch immunologische Stimuli reaktiviert werden können, was insbesondere bei Schwangeren und Immunsupprimierten bedeutsam wäre. Um eine Reaktivierung einer latenten CMV-Infektion zu vermeiden, wurde die Gabe von leukozytendepletierten Blutkonserven auch für seropositive Schwangere vorgeschlagen. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand ist die Leukozytendepletion zur Prävention der transfusionsassoziierten CMV-Infektion der Testung von Blutspenden als gleichwertig anzusehen. In ähnlicher Weise hat sich jüngst auch die American Association of Blood Banks geäußert (Association Bulletin, 99-7).

Darüber hinaus wird die Leukozytendepletion als eine Vorsichtsmaßnahme gegen die Übertragung der neuen Variante der Creutzfeldt-Jacob Erkrankung (vCJD) angesehen. Während auf Grund der jahrzehntelangen Erfahrung davon ausgegangen werden kann, dass die klassischen Formen der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung nicht durch Blut verbreitet werden, kann die Möglichkeit einer Übertragung von vCJD durch Blut mangels epidemiologischer Daten nicht ausgeschlossen werden (Dezember 1999, Expert Meeting on Variant CJD and donor exclusion criteria für plasma-derived medical products, EMEA/CPMP/BWP/3358/99). Auf Grund von Versuchsergebnissen mit kleinen Labortieren muss bei der neuen Variante von CJD mit einer Infektiosität im Blut gerechnet werden, wie auch in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses für Arzneimittel und Medizinprodukte der Europäischen Kommission vom 16.02.2000 zum Ausdruck gebracht wurde.

Da die Daten aus den Tierversuchen dafür sprechen, dass diese Infektiosität überwiegend mit Leukozyten assoziiert ist, spricht sich der Ausschuss für die Einführung der Leukozytendepletion als eine Vorsichtsmaßnahme aus.

Die Leukozytendepletion ist vor der Lagerung vorzunehmen, da nur dadurch die gewünschten Effekte, d.h. die Entfernung zellständiger Erreger, die Verminderung der FNHTR und die gleichmäßig hohe Arzneimittelqualität in vollem Umfang erzielt werden können. Grundsätzlich kann die Leukozytendepletion zwar vor oder nach der Lagerung der Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate durch den Hersteller oder aber bettseitig unmittelbar vor der Transfusion erfolgen. Es sprechen aber entscheidende Aspekte für die möglichst frühzeitige Leukozytenentfernung. So kann die während der Lagerung einsetzende Desintegration von Leukozyten zur Freisetzung von zellständigen Viren und Bakterien führen. Während der Lagerung von Thrombozytenkonzentraten kommt es abhängig vom Anteil an Leukozyten zum Anstieg von inflammatorischen Zytokinen und Leukotrienen in den Präparaten. Die bettseitige Filtration über Transfusionssysteme mit integriertem Leukozytenfilter kann nur nach der Lagerung der Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate mit den oben aufgeführten Nachteilen erfolgen und ist zudem nicht qualitätskontrolliert. Darüber hinaus gibt es mehr als 80 Berichte über einen z.T. lebensbedrohlichen Blutdruckabfall innerhalb weniger Minuten bei Empfängern von Thrombozytenkonzentraten bei bettseitiger Filtration, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die durch die angeordnete Maßnahme der Filtration vor Lagerung vermeidbar sind.

Die Anforderung unter Nr. 1, die bei mehr als 90 % der geprüften Einheiten der jeweiligen Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate erfüllt sein muss, entspricht den Empfehlungen des Europarates "Guides to the preparation, use and quality assurance of blood components" (Council of Europe, 6th Ed. Jan. 2000) und den "Richtlinien zur Gewinnung von Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)" der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts und stellt insoweit den Stand des Wissens dar.

Geeignete Verfahren zur Leukozytendepletion für Vollblut, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate aus der Vollblutentnahme sind:

  • die Filtration von Vollblut mit anschließender Separation in ein leukozytendepletiertes Erythrozytenkonzentrat und ein leukozytendepletiertes Plasma,

  • die Filtration des Erythrozytenkonzentrats nach der Auftrennung,

  • die Filtration von 4 bis 6 Einzel-Thrombozytenkonzentraten oder Buffy Coats nach Zusammenführung zur Herstellung eines Pool-Thrombozytenkonzentrates.

Geeignete Verfahren für die Herstellung leukozytendepletierter Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate mittels Apherese sind:

  • die Filtration der Komponenten,

  • die Leukozytenabreicherung durch speziell geformte Einsätze im Aphereseset,

  • die Optimierung der Zentrifugationsbedingungen einschließlich der Zentrifugationskammer.

Der Leukozytenfilter kann im Beutelset integriert sein oder mittels eines so genannten Sterilschweißgerätes verbunden werden.

Die Maßnahme ist verhältnismäßig, da effektive und schonende Verfahren zur Leukozytendepletion zur Verfügung stehen. Im Hinblick auf die Übertragung zellständiger Viren, Bakterien und zur Vermeidung der Alloimmunisierung ist zwar ein möglichst niedriger Restleukozytengehalt anzustreben. Die Begrenzung des Restleukozytengehaltes auf < 1x106 pro Einheit ist aber angemessen, weil eine solche Reduzierung des Leukozytengehaltes mit den oben aufgeführten Verfahren derzeit technisch realisierbar ist. Sie erscheint auch ausreichend, weil in den oben aufgeführten Studien gezeigt wurde, dass die Nebenwirkungen bei einer solchen Reduzierung des Leukozytengehaltes wesentlich reduziert werden. Die meisten Blutspendeeinrichtungen verfügen bereits über fiktiv zugelassene, zugelassene bzw. im Zulassungsverfahren befindliche leukozytendepletierte Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate.

Der Zeitpunkt, bis zu dem die Maßnahme umgesetzt sein muss, wurde auf Wunsch der meisten pharmazeutischen Unternehmer verlängert und ist realisierbar, da, wie dargestellt, die Technik zumeist bereits implementiert worden ist und der Zeitrahmen hinsichtlich der Erweiterung der Kapazität zur Herstellung ausschließlich leukozytendepletierter Vollblute, Erythrozytenkonzentrate und Thrombozytenkonzentrate zur Transfusion und der damit verbundenen logistischen Probleme ausreichend ist.

Die Validierung des eingesetzten Verfahrens ist erforderlich, um zu gewährleisten, dass bei jeder Herstellung soweit möglich eine gleichförmige Qualität erreicht wird. Generell fordert die Richtlinie 89/381/ EWG die Validierung von bei der Herstellung von Blutprodukten eingesetzten Verfahren. Dieser Standard ist auch bei zellulären Blutbestandteilen maßgeblich. Sie werden gebeten, die als Anlage beigefügten Formblätter zur Vorlage zu verwenden Die Frist zur Vorlage der Validierungsunterlagen bis 01.04.2001 ist angemessen, weil die Auswertung der Antworten auf die Anhörung vom 24.5.2000 zu den geplanten Maßnahmen ergeben hat, dass es den pharmazeutischen Unternehmer möglich ist, bis zu diesem Zeitpunkt die Validierung des Verfahrens abzuschließen.

Die angeordneten Auflagen sind nach § 28 Abs. 3c, Satz 2 AMG sofort vollziehbar, so dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger als bekannt gegeben.

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Str. 51-59, 63225 Langen, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.

Langen, den 18. August 2000

Pr-23400

Paul-Ehrlich-Institut

Bundesamt für Sera und Impfstoffe

Prof. Dr. J. Löwer

Kommissarischer Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts

Anlage zum Bescheid

Formblatt zur Einreichung der Validierungsunterlagen als pdf-Dokument

Aktualisiert: 14.08.2000