Paul-Ehrlich-Institut

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Zur Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts möchten wir gerne statistische Informationen vollständig anonymisiert erfassen und analysieren. Dürfen wir hierzu vorübergehend einen Statistik-Cookie setzen?

Sie können Ihre Einwilligung jederzeit in unserer Datenschutzerklärung widerrufen.

OK

Be­kannt­ma­chung des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts und des Bun­des­in­sti­tuts für Arz­nei­mit­tel und Me­di­zin­pro­duk­te über die Zu­las­sung und Re­gis­trie­rung von Hu­manarz­nei­mit­teln so­wie über die Si­cher­heit ver­kehrs­fä­hi­ger Hu­manarz­nei­mit­tel (Voll­blut, zel­lu­lä­re Blut­kom­po­nen­ten und Ge­fro­re­nes Frisch­plas­ma so­wie Arz­nei­mit­tel aus hu­ma­nen Ge­we­ben und ho­möo­pa­thi­sche Arz­nei­mit­tel hu­ma­nen Ur­sprungs) - Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken, Stu­fe II - (vom 21. Sep­tem­ber 2001)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 202 vom 27. 10. 2001, S. 22533

Mit Bekanntgabe vom 10. Januar 2001 (BAnz S. 1422) haben das Paul-Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte diejenigen pharmazeutischen Unternehmer zu einer beabsichtigten Maßnahme der Risikovorsorge angehört, die Humanarzneimittel in den Verkehr bringen, die unter Verwendung von Blut, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit vom Menschen hergestellt werden. Auf diese Anhörung ergeht wegen der Bedeutung der Maßnahme der folgende Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zunächst lediglich an die pharmazeutischen Unternehmer, die zelluläre Blutprodukte und gefrorenes Frischplasma sowie Arzneimittel aus humanen Geweben und homöopathische Arzneimittel humanen Ursprungs in den Verkehr bringen.

Angesichts von zum Teil noch vorläufigen tierexperimentellen Befunden besteht die theoretische Möglichkeit einer Übertragung der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheits-Erreger (vCJK-Erregern) durch Blutkomponenten von Spendern, die sich zuvor mit diesem Erreger infiziert haben. Nach der gegenwärtigen Erkenntnislage kann auch bei Arzneimitteln, die aus anderen Materialien von Menschen hergestellt werden, eine solche Übertragungsmöglichkeit nicht ausgeschlossen werden.

Das mögliche Risiko einer Übertragung von vCJK-Erregern wird für Vollblut, zelluläre Blutkomponenten und gefrorenes Frischplasma höher eingeschätzt als z.B. für fraktionierte Plasmaprodukte. Untersuchungen weisen darauf hin, dass pathogene Prionproteine durch Fraktionierungsschritte eliminiert werden können (Lee et al. 2000. Monitoring plasma processing steps with a sensitive Western blot assay for the detection of the prion protein. J.Virol. Methods 84: 77-89; Foster et al. 2000. Studies on the removal of abnormal prion protein by processes used in the manufacture of human plasma products. Vox. Sang. 78: 86-95). Für diese Arzneimittel und ebenso für die aus menschlichem Urin hergestellten Arzneimittel, die teilweise im konzentrierten Verfahren, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung oder im zentralisierten Verfahren zugelassen worden sind, ist eine entsprechende Änderung der Zulassung in Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Europäischen Union und der anderen Mitgliedsstaaten beabsichtigt.

Bescheid

  1. Es wird angeordnet, dass zur Herstellung von Vollblut, zellulären Blutkomponenten und gefrorenes Frischplasma sowie von Arzneimitteln aus humanen Geweben und homöopathischen Arzneimitteln humanen Ursprungs kein Ausgangsmaterial aus Spenden verwendet werden darf, die nach dem 1. November 2001 gewonnen werden und deren Spender sich in der Zeit vom 1. Januar 1980 bis 31. Dezember 1996 insgesamt länger als sechs Monate im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben.
  2. Kosten werden gesondert erhoben.

Die Auflage beruht auf den Bestimmungen des § 28 Abs. 3c Satz 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3586), das zuletzt durch Artikel 2 § 10 des Gesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) geändert worden ist. Sie ist geboten, da neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das Risiko einer Übertragung der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) durch Blut und Blutprodukte vorliegen.

Bei der vCJK muss aufgrund der vorliegenden Daten von einer Übertragung der bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE), wahrscheinlich über den Verzehr von infektiösem Material von Rindern, auf den Menschen ausgegangen werden (Bruce ME et al. 1997: Transmission to mice indicate that new variant CJD is caused by the BSE agent. Nature 389: 498-501, Scott MR et al. 1999: Compelling transgenetic evidence for transmission of bovine spongiform encephalopathy prions to humans. Proc. Natl. Acad. Sci. 96: 15137 - 15142). Die vCJK konnte wahrscheinlich vor allem zwischen 1980 und 1996 durch den Verzehr von BSE-kontaminierten Nahrungsmitteln ausgelöst werden.

Frühere Untersuchungen in verschiedenen Tiermodellen weisen darauf hin, dass geringe Mengen des Erregers im Blut vorkommen können. Eine wissenschaftliche Bewertung der derzeit hierüber vorliegenden Daten findet sich in den Stellungnahmen des Scientific Committee on Medicinal Products and Medical Devices (SCMPMD) der Europäischen Kommission vom 16. Februar 2000 (Opinion on Update of the Opinion on the Risk Quantification for CJD Transmission via Substances of Human Origin adopted by the Scientific Committee on Medical Products and Medical Devices on 16. February 2000) und des Scientific Steering Committee der Europäischen Kommission vom 26./27. Oktober 2000 (Opinion on the Implication of the Houston et al paper in The Lancet of 16. September 2000 on the Transmission of BSE by blood transfusion in sheep. The Lancet Vol. 356, pp 999-1000; 955-956; 1013).

Die Tatsache, dass bei Patienten mit neuropathologisch bestätigter vCJK pathologisches Prionprotein innerhalb des lymphoretikulären Gewebes nachgewiesen wurde (Hill AF et al., Lancet 1999; 353: 183-189: Investigation of variant Creutzfeldt-Jakob disease and other human prion diseases with tonsil biopsy samples) ist ein Anhaltspunkt für die potentielle Infektiosität der für die Herstellung der Arzneimittel verwendeten Gewebe. Jüngst wurden in der britischen Fachzeitschrift Lancet vorläufige Ergebnisse publiziert (Houston F et al. 2000: Transmission of BSE by blood transfusion in sheep. Lancet 356. 999-1000), die zu zeigen scheinen, dass in dem gewählten Tiermodell eine Transfusion von Blut eines auf oralem Weg infizierten Tieres zur Infektion des Empfängertieres führte. Bei diesen Versuchen war Hirngewebe eines an BSE erkrankten Rindes an Schafe verfüttert worden, denen danach Vollblut entnommen und in gesunde Empfängerschafe transfundiert wurde. Bislang erkrankte eines der 19 Empfängertiere an BSE-ähnlichen Symptomen (IABS Conference Advances in Transfusion Safety - 2001, Paul-Ehrlich-Institut, Langen 7. bis 9. Juni 2001). Die Interpretation der Autoren, dass es sich um eine Übertragung des BSE Erregers handelte, bedarf noch der Bestätigung durch weitere Untersuchungen unter Einbeziehung entsprechender Kontrollen. Es ist aus ungeklärt, inwieweit sich das Tierexperiment auf die Verhältnisse beim Menschen übertragen lässt. Gleichwohl sind diese Ergebnisse vorläufig als weiterer Hinweis auf die Möglichkeit einer Übertragbarkeit von vCJK durch Blut anzusehen.

Im Falle einer Übertragbarkeit von BSE-Erregern durch Blut besteht die Gefahr, dass sich der Erreger auch über Bluttransfusionen, Plasmaprodukte, Produkte aus menschlichem Geweben oder homöopathische Arzneimittel aus anderen Ausgangsmaterialien vom Menschen in der Bevölkerung ausbreiten könnte.

In Großbritannien sind seit 1996 über 100 Fälle von vCJK bekannt geworden (Department of Health monthly Creutzfeldt-Jakob disease statistics, 2. Juli 2001).

Die Erkrankung verursacht nach wahrscheinlich jahrelanger Inkubationszeit ausgeprägte organische und funktionelle Schäden des Nervensystems. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand führt sie ausnahmslos zum Tode. Bisher steht eine wirksame Behandlungsmöglichkeit nicht zur Verfügung. Die Anzahl derjenigen Personen, die sich gegenwärtig in der Inkubationsphase dieser Krankheit befinden, ist unbekannt.

Gegenwärtig steht weder ein auf den Erreger der vCJK spezifisch ausgerichteter Test noch ein Surrogattest zur Verfügung, mit dem ein Screening auf vCJK unter Routinebedingungen möglich wäre.

Deshalb kann auch im Rahmen eine Spende von Blut, Plasma, Gewebe oder anderer zur Herstellung homöopathischer Arzneimittel verwendeten Ausgangsmaterialien vom Menschen gegenwärtig nicht festgestellt werden, ob sich eine Person in der Inkubation dieser Krankheit befindet bzw. eine Spende infektiös in bezug auf vCJK ist.

Aufgrund der Anzahl der bisher in England aufgetretenen Erkrankungsfälle von vCJK und der oben dargelegten neuesten Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass eine Übertragung der Erkrankung durch Blut möglich sein kann, wird es zum jetzigen Zeitpunkt als vorbeugende Maßnahme für notwendig erachtet, diejenigen Personen von der Spende auszuschließen, die sich in der Zeit von 1980 bis 1996 insgesamt länger als sechs Monate im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben. Die Häufung der Fälle im Vereinigten Königreich wird durch den Verzehr BSE-kontaminierter Nahrungsmittel durch die dortige Bevölkerung erklärt. Es ist anzunehmen, dass auch Besucher bei vorübergehenden Aufenthalten im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland solchen Nahrungsmitteln und somit einem Infektions-Risiko ausgesetzt waren.

Der festgesetzte Zeitraum zwischen 1980 und 1996 begründet sich auf der Tatsache, dass Ende der 80er Jahre in Großbritannien erstmals Rinder in großer Anzahl an BSE erkrankten. Aufgrund der langen Inkubationszeit der Erkrankung muss davon ausgegangen werden, dass sich etwa ab 1980 infizierte Rindermaterialien auf dem britischen Markt befanden. Dies wurde in einer epidemiologischen Analyse über die Inzidenz der Infektion von BSE durch Anderson et al. errechnet (Anderson RM 1996. Transmission dynamics and epidemiology of BSE in British cattle. Nature 382: 779-788). Die epidemieartige Verbreitung von BSE wird auf das Füttern der Rinder mit Tierkörpermehl zurückgeführt, das aus Schlachtabfällen und verendeten Tieren hergestellt wird. Das Verbot der Fütterung von Rindern mit solchem Tierkörpermehl hat zu einem deutlichen Rückgang der Erkrankungszahlen geführt. Darüber hinaus wurde seit 1996 in England ein besonderes Schlachtverfahren angeordnet, in dem das Risikomaterial wie z.B. Rückenmark so entnommen und ausgesondert wird, dass keine Rückstände dieses möglicherweise infizierten Materials in die Nahrungskette gelangen können. Somit kann davon ausgegangen werden, dass im Vereinigten Königreich ab 1996 der Verzehr von Nahrungsmitteln, die vom Rind stammen, nicht mit einem Risiko behaftet ist.

Das in den Vereinigten Staaten angewandte Verfahren zur Berechnung des durch das Reiseverhalten möglicherweise bedingten Übertragungsrisikos für vCJK durch Blut und Blutprodukte geht von der Annahme aus, dass das Risiko, sich über Nahrungsmittel zu infizieren, mit der Länge des Aufenthalts im Vereinigten Königreich im o.g. Zeitraum korreliert. Diese Hilfskonstruktion wurde gewählt, da die tatsächlich für eine Infektion erforderliche Dosis infektiöser Nahrung und die für deren Aufnahme erforderliche Aufenthaltsdauer nicht bekannt sind. Die von den Befragten angegebenen Aufenthaltszeiten wurden zu einer Gesamtaufenthaltsdauer addiert, die nach obiger Hypothese als Maßzahl für das angenommene Gesamtrisiko verwendet wurde. Es wurde dann für verschieden lange Zeitintervalle (entsprechend den von den einzelnen Spendern angegebenen kumulativen Aufenthaltszeiten) berechnet, in welchem Ausmaß einerseits das rechnerische Risiko vermindert werden könnte und welcher Anteil an Spendern dafür ausgeschlossen werden müsste. Aufgrund dieser Berechnungen wurde auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme von der Food and Drug Administration (FDA) ein Zeitraum von sechs Monaten gewählt.

Das für die USA beschriebene Rechenmodell ist grundsätzlich auch auf die Situation der Bundesrepublik anwendbar. Demnach bedeutet der Ausschluss von Spendern, die sich im fraglichen Zeitraum insgesamt mehr als sechs Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten haben, eine Reduktion des theoretischen Risikos der Übertragung von vCJK durch menschliches Blut. Orientierende Umfragen in Spendediensten des DRK und von staatlichen und kommunalen Blutspendeeinrichtungen haben ergeben, das etwa 0,2% der Spender von dem Ausschluss betroffen wären. Im Hinblick auf die Schwere der möglichen Erkrankung ist die Maßnahme daher auch verhältnismäßig, zumal die Versorgung der Bevölkerung dadurch nicht gefährdet wird. Auch bei Arzneimitteln aus menschlichen Geweben sowie homöopathischen Arzneimitteln menschlichen Ursprungs führt der Spenderausschluss nicht zu Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung mit diesen Arzneimitteln.

Die Maßnahme, Personen mit der kumulierten Aufenthaltsdauer von 6 Monaten und darüber im Zeitraum zwischen 1980 und 1996 im Vereinigten Königreich zukünftig von der Spende auszuschließen, wurde am 13. November 2000 ebenfalls durch den Arbeitskreis Blut empfohlen. Der Arbeitskreis Blut ist ein Expertengremium nach § 24 des Transfusionsgesetzes, das die Bundesregierung in Fragen der Sicherheit bei der Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten berät.

Diese Anordnung des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ist gemäß § 28 Abs. 3c AMG sofort vollziehbar, so dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.

Die Änderung der Spenderauswahlkriterien ist der jeweils zuständigen Bundesoberbehörde schriftlich bis spätestens 15. November 2001 anzuzeigen. Die betroffenen Arzneimittel sind mit Arzneimittelbezeichnung, Zulassungs- bzw. Registriernummer sowie Eingangs- und Ordnungsnummer aufzulisten.

Rechtsbehelfsbelehrung

Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Erscheinen des Bundesanzeigers als bekannt gegeben.

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Straße 51 - 59, 63225 Langen, oder dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Friedrich-Ebert-Anlage 38, 53113 Bonn, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.

Hinweis:

Homöopathische Arzneimittel, die Zubereitungen aus Krankheitsprodukten, Krankheitserregern oder deren Stoffwechselprodukten vom Menschen enthalten, fallen ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Bekanntmachung.

Die Anordnungen betreffen auch diejenigen homöopathischen Arzneimittel, die nach § 135 AMG ohne Registrierung in den Verkehr gebracht werden. Für diese Arzneimittel ist die Änderung der Spenderauswahl durch die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer de Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mitzuteilen.

Langen, den 21. September 2001

Paul-Ehrlich-Institut

Bundesamt für Sera und Impfstoffe

Präsident

Prof. Dr. med. J. Löwer

Bonn, den 21. September 2001

Bundesinstitut

für Arzneimittel und Medizinprodukte

Präsident

Prof. Dr. G. Schweim

Aktualisiert: 27.10.2001