Paul-Ehrlich-Institut

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Ge­mein­sa­me Be­kannt­ma­chung des Paul-Ehr­lich-In­sti­tuts, Bun­des­amt für Se­ra und Impf­stof­fe und des Bun­des­in­sti­tuts für Arz­nei­mit­tel und Me­di­zin­pro­duk­te Be­kannt­ma­chung über die Zu­las­sung und Re­gis­trie­rung von Hu­manarz­nei­mit­teln so­wie über die Si­cher­heit ver­kehrs­fä­hi­ger Hu­manarz­nei­mit­tel, - Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken, Stu­fe II - (Er­gän­zung der Maß­nah­me im Be­scheid vom 29. De­zem­ber 2000 für Hu­manarz­nei­mit­tel, die un­ter Ver­wen­dung von Blut, Ge­we­be, Kör­per­se­kret oder Kör­per­flüs­sig­keit vom Men­schen her­ge­stellt wer­den) vom 10. Ja­nu­ar 2001

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 21 vom 31. 01.2001, S. 1422

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) beabsichtigen, in Ergänzung der o.g. Maßnahme (Bekanntmachung vom 29.Dezember 2000, BAnz. S. 1421) zur Risikovorsorge durch Auflage zur Zulassung die nachfolgenden Anforderungen festzulegen. Es dürfen zur Herstellung von Arzneimitteln kein Blut oder Blutbestandteile, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit aus Spenden verwendet werden, die nach dem 15.01.2001 gewonnen werden und deren Spender sich in der Zeit vom 01.01.1980 bis 31.12.1996 insgesamt länger als sechs Monate im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben.

Von der Bekanntmachung betroffen sind auch homöopathische Humanarzneimittel, die Zubereitungen aus Krankheitsprodukten, Krankheitserregern oder deren Stoffwechselprodukten vom Menschen, z.B. die Nosoden Diphtherinum, Medorrhinum, Psorinum, Syphilinum enthalten.

Die beabsichtigte Auflage beruht auf den Bestimmungen von § 28 Abs. 3 c Satz 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBL I S. 3568), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Juli 2000 (BGBL I S. 1002) geändert worden ist. Die beabsichtigte Ausdehnung der Maßnahme vom 29. Dezember 2000 (Bekanntmachung vom 29. Dezember 2000, BAnz. S. 1421) ist geboten, da neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das Risiko einer Übertragung der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) durch Blut und Blutprodukte vorliegen. Bei der vCJK muss aufgrund der vorliegenden Daten von einer Übertragung der bovinen spongiformen Encephalopathie (BSE), wahrscheinlich über den Verzehr von infektiösem Material von Rindern, auf den Menschen ausgegangen werden (Bruce ME et al. 1997: Transmissions to mice indicate that new variant CJD is caused by the BSE agent. Nature 389: 498-501, Scott MR et al. 1999: Compelling transgenetic evidence for transmission of bovine spongiform encephalopathy prions to humans. Proc Natl. Acad. Sci. USA 96: 15137-15142). Die vCJK konnte wahrscheinlich vor allem zwischen 1980 und 1996 durch den Verzehr von BSE-kontaminierten Nahrungsmitteln ausgelöst werden.

Frühere Untersuchungen in verschiedenen Tiermodellen wiesen darauf hin, dass geringe Mengen des Erregers im Blut vorkommen können. Eine wissenschaftliche Bewertung der derzeit hierüber vorliegenden Daten findet sich in den Stellungnahmen des Scientific Committee on Medicinal Products and Medical Devices (SCMPMD) der Europäischen Kommission vom 16.02.2000: Opinion on update of the opinion on the Risk quantification for CJD Transmission via Substances of Human Origin adopted by the Scientific Committee on Medicinal Products and Medical Devices on 16 February 2000 und des Scientific Steering Committee der Europäischen Kommission vom 26./ 27. Oktober 2000. Die Tatsache, dass bei Patienten mit neuropathologisch bestätigter vCJK pathologisches Prionprotein innerhalb des lymphoretikulären Gewebes nachgewiesen wurde (Hill AF et al., Lancet 1999; 353: 183-189: Investigation of variant Creutzfeldt-Jakob disease and other human prion diseases with tonsil biopsy samples) ist ein Anhaltspunkt für die potentielle Infektiosität der für die Herstellung der Arzneimittel verwendeten Gewebe. Jüngst wurden in der britischen Fachzeitschrift Lancet vorläufige Ergebnisse publiziert (Houston F et al. 2000: Transmission of BSE by blood transfusion in sheep. Lancet 356: 999-1000), die zu zeigen scheinen, dass in dem gewählten Tiermodell eine Transfusion von Blut eines auf oralem Weg infizierten Tieres zur Infektion des Empfängertieres führte: Bei diesen Versuchen war Hirngewebe eines an BSE erkrankten Rindes an Schafe verfüttert worden, denen danach Vollblut entnommen und in gesunde Empfängerschafe transfundiert wurde. Bislang erkrankte eines der 19 Empfängertiere an BSE-ähnlichen Symptomen. Die Interpretation der Autoren, dass es sich um eine Übertragung des BSE Erregers handelte, bedarf noch der Bestätigung durch weitere Untersuchungen unter Einbeziehung entsprechender Kontrollen. Es ist auch ungeklärt, inwieweit sich das Tierexperiment auf die Verhältnisse beim Menschen übertragen lassen. Gleichwohl sind diese Ergebnisse vorläufig als weiterer Hinweis auf die Möglichkeit einer Übertragbarkeit von vCJK durch Blut anzusehen.

Im Falle einer Übertragbarkeit von BSE-Erregern durch Blut besteht die Gefahr, dass sich der Erreger auch über Bluttransfusionen, Plasmaprodukte oder Produkte aus menschlichen Geweben, Körpersekreten oder Körperflüssigkeiten in der Bevölkerung ausbreiten könnte.

In Großbritannien sind seit 1996 bisher 79 gesicherte und 8 wahrscheinliche Fälle von vCJK bekannt geworden (Department of Health monthly Creutzfeldt-Jakob disease statistics, 04.12.2000). Die Erkrankung führt nach wahrscheinlich jahrelanger Inkubationszeit zu ausgeprägten organischen und funktionellen Schäden des Nervensystems und nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand ausnahmslos zum Tode. Bisher steht eine wirksame Behandlungsmöglichkeit nicht zur Verfügung. Die Anzahl derjenigen Personen, die sich gegenwärtig in der Inkubationsphase dieser Krankheit befinden, ist unbekannt. Gegenwärtig steht weder ein auf den Erreger der vCJK spezifisch ausgerichteter Test, noch ein Surrogattest zur Verfügung, mit dem ein Screening auf vCJK unter Routinebedingungen möglich wäre. Deshalb kann auch im Rahmen einer Spende von Blut, Plasma, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit vom Menschen gegenwärtig nicht festgestellt werden, ob sich eine Person in der Inkubation dieser Krankheit befindet, bzw. ob eine Spende infektiös in Bezug auf vCJK ist.

Aufgrund der Anzahl der bisher in England aufgetretenen Erkrankungsfälle von vCJK und der oben dargelegten neuesten Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass eine Übertragung der Erkrankung durch Blut möglich ist, wird es zum jetzigen Zeitpunkt als präventive Maßnahme für notwendig erachtet, diejenigen Personen von der Spende auszuschließen, die sich in der Zeit von 1980 bis 1996 insgesamt länger als sechs Monate im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben. Die Häufung der Fälle im Vereinigten Königreich wird durch den Verzehr BSE-kontaminierter Nahrungsmittel durch die dortige Bevölkerung erklärt. Es ist anzunehmen, dass auch Besucher bei vorübergehenden Aufenthalten im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland solchen Nahrungsmitteln und somit einem Infektions-Risiko ausgesetzt waren.

Der festgesetzte Zeitraum zwischen 1980 und 1996 begründet sich auf der Tatsache, dass Ende der 80iger Jahre in Großbritannien erstmals Rinder in großer Anzahl an BSE erkrankten. Aufgrund der langen Inkubationszeit der Erkrankung muss davon ausgegangen werden, dass sich etwa ab 1980 infiziertes Rindfleisch auf dem britischen Markt befand. Dies wurde in einer epidemiologischen Analyse über die Inzidenz der Infektion von BSE durch Andersen et al. errechnet (Anderson R.M. 1996. Transmission dynamics and epidemiology of BSE in British cattle. Nature 382: 779-788). Die epidemieartige Verbreitung von BSE wird auf das Füttern der Rinder mit Tierkörpermehl zurückgeführt, das aus Schlachtabfällen und verendeten Tieren hergestellt wird. Das Verbot der Fütterung von Rindern mit solchem Tierkörpermehl hat zu einem deutlichen Rückgang der Erkrankungszahlen geführt. Darüber hinaus wurde seit 1996 in England ein besonderes Schlachtverfahren angeordnet, in dem das Risikomaterial wie z.B. Rückenmark so entnommen und ausgesondert wird, dass keine Rückstände dieses möglicherweise infizierten Materials in die Nahrungskette gelangen können. Somit kann davon ausgegangen werden, dass ab 1996 der Verzehr von Rindfleisch im Vereinigten Königreich nicht mit einem höheren Risiko behaftet ist.

Das in den Vereinigten Staaten angewandte Verfahren zur Berechnung des durch das Reiseverhalten möglicherweise bedingten Übertragungsrisiko für vCJK geht von der Annahme aus, dass das Risiko, sich über Nahrungsmittel zu infizieren, mit der Länge des Aufenthaltes im Vereinigten Königreich korreliert. Diese Hilfskonstruktion wurde gewählt, da die tatsächlich für eine Infektion erforderliche Dosis infektiöser Nahrung und die für deren Aufnahme erforderliche Aufenthaltsdauer nicht bekannt sind. Die von den Befragten angegebenen Aufenthaltszeiten wurden zu einer Gesamtaufenthaltsdauer addiert, die nach obiger Hypothese als Maßzahl für das angenommene Gesamtrisiko verwendet wurde. Es wurde dann für verschieden lange Zeitintervalle (entsprechend den von den einzelnen Spendern angegebenen kumulativen Aufenthaltszeiten) berechnet, in welchem Ausmaß einerseits das rechnerische Risiko vermindert werden könnte und welcher Anteil an Spendern dafür ausgeschlossen werden müsste. Aufgrund dieser Berechnungen wurde auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme von der FDA ein Zeitraum von sechs Monaten gewählt.

Das für die USA beschriebene Rechenmodell ist grundsätzlich auch auf die Situation der Bundesrepublik anwendbar. Demnach bedeutet der Ausschluss von Spendern, die sich im fraglichen Zeitraum insgesamt mehr als sechs Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten haben, eine Reduktion des theoretischen Risikos der Übertragung von vCJK durch menschliches Blut, Blutprodukte und Gewebe. Orientierende Umfragen in Spendediensten des DRK und von staatlichen und kommunalen Blutspendeeinrichtungen haben ergeben, dass etwa 0,2 % der Spender von dem Ausschluss betroffen wären. Im Hinblick auf die Schwere der möglichen Erkrankung ist die beabsichtigte Maßnahme daher auch verhältnismäßig, zumal die Versorgung der Bevölkerung mit aus Blut und Geweben hergestellten Arzneimitteln dadurch nicht gefährdet wird.

Die beabsichtigte Maßnahme, Personen mit der kumulierten Aufenthaltsdauer von 6 Monaten im Zeitraum zwischen 1980 und 1996 im Vereinigten Königreich zukünftig von der Spende auszuschließen, wurde am 13.11.2000 ebenfalls durch den Arbeitskreis Blut empfohlen. Der Arbeitskreis Blut ist ein Expertengremium nach § 24 Transfusionsgesetz, das die Bundesregierung in Fragen der Sicherheit bei der Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten berät.

Es wird darauf hingewiesen, dass dieses Stufenplanverfahren auch diejenigen homöopathischen Arzneimittel betrifft, die nach § 135 Abs. 3 AMG in den Verkehr gebracht werden. Es wird Ihnen Gelegenheit gegeben, zu der beabsichtigten Maßnahme innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe im Bundesanzeiger Stellung zu nehmen.

Das PEI und das BfArM prüfen derzeit, ob weitere Maßnahmen zur Risikovorsorge gegebenenfalls durch Ausschluss von Spendern, die ab 1980 Bluttransfusionen erhalten haben, oder auch durch den Ausschluss von Spendern, die sich über einen bestimmten Zeitraum in anderen Ländern, in denen mehrere vCJK-Fälle aufgetreten sind, aufgehalten haben, erforderlich und durchführbar sind. Dazu werden Sie in einem gesonderten Schreiben angehört werden.

Langen, den 10. Januar 2001

Prof. Dr. J. Löwer

Kommissarischer Leiter des

Paul-Ehrlich-Instituts

Bonn, den 10. Januar 2001

Prof. Dr. rer. nat. habil. Harald G. Schweim

Kommissarischer Leiter des

Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte

Aktualisiert: 31.01.2001