Paul-Ehrlich-Institut

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Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken - An­ord­nung der Rück­stel­lung von Per­so­nen von der Blut­spen­de, die sich in den letz­ten vier Wo­chen in ei­nem SARS-En­de­mie­ge­biet auf­ge­hal­ten ha­ben (vom 21. Mai 2003)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 105 vom 07. Juni 2003, S. 12 533

Nach schriftlicher Anhörung der pharmazeutischen Unternehmer durch das Paul-Ehrlich-Institut mit Schreiben vom 30.04.2003 ergeht folgender

BESCHEID:

  1. Bei der Herstellung von Vollblut, zellulären Blutkomponenten und gefrorenem Frischplasma, das keinem Verfahren zur Virusinaktivierung unterworfen wurde, darf kein Ausgangsmaterial aus Spenden verwendet werden, deren Spender sich in den letzten vier Wochen vor der Blut- oder Plasmaspende in einem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten Endemiegebiet für SARS (severe acute respiratory syndrome), von dem bereits internationale Übertragungen ausgegangen sind, aufgehalten haben. Die betroffenen Gebiete werden vom Paul-Ehrlich-Institut auf dessen Internetseite veröffentlicht und regelmäßig in zweiwöchigen Abständen aktualisiert.
  2. Gebühren für die Anordnung dieser Auflage werden nicht erhoben.

Begründung:

Die Auflage beruht auf § 28 Abs. 3c Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG). Danach kann das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), soweit es u.a. zur Risikovorsorge geboten ist, bei den o.g. Arzneimitteln durch Auflage anordnen, dass bei ihrer Herstellung und Kontrolle bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden.

SARS ist eine akute Erkrankung der Atemwege, die mit Fieber >38°C beginnt und begleitet ist von Übelkeit, nicht-produktivem Husten, Dyspnoe, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen. Schwerwiegende Erkrankungen gehen einher mit Pneumonie und akutem Lungenversagen ("Acute Repiratory Distress Syndrom" (ARDS)). Vorläufige Daten legen nahe, dass etwa 6% der Erkrankten verstorben sind. Am 16. April 2003 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitgeteilt, dass ein neuer Erreger aus der Familie der Coronaviren als Ursache des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS) identifiziert wurde.

Das bislang unbekannte SARS Coronavirus wurde Anfang April erstmals in zwei online Publikationen beschrieben (T.G. Ksiazek et al. A Novel Coronavirus Associated with Severe Acute Respiratory Syndrome und C. Drosten et al. Identification of a Novel Coronavirus in Patients with Severe Acute Respiratory Syndrome), die Mitte Mai in "THE NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE, Volume 348, Issue 20: May 15, 2003 erschienen.

Ein PCR-basiertes Nachweisverfahren steht zur Verfügung, mit der das neue human-pathogene Coronavirus in Patientenproben mit hoher Spezifität und Sensitivität nachgewiesen werden kann. Ebenfalls entwickelt wurden in der Zwischenzeit Nachweissysteme mittels ELISA, einem Testverfahren auf Antikörper, mit dem allerdings erst frühestens zehn Tage nach Infektion ein Nachweis möglich ist.

Schwere Infektionen durch andere tierpathogene Coronaviren sind bisher bei Tieren aufgetreten, wie z.B. Schweinen, Hunden, Mäuse und Vögeln. Dort kam es zu Infektionen der Atemwege, des Intestinaltraktes, der Leber und zu neurologischen Erkrankungen. Dagegen wurde beim Menschen bis vor kurzer Zeit über milde Atemwegsinfektionen durch das bis dato bekannte humane Coronavirus, z.B. bei Immungeschwächten, berichtet. Seit einigen Wochen wird nun über das endemische Auftreten von SARS vor allem im asiatischen Raum berichtet. Mit Datum vom 14.05.2003 berichtet die WHO über bislang insgesamt 7628 Erkrankte. Davon sind zwischenzeitlich 587 Menschen verstorben. 5124 Erkrankungen mit 267 Todesfällen sind davon allein in China aufgetreten, davon 1698 in Hongkong und 238 in Taiwan, 205 Erkrankungen in Singapur, 10 Erkrankungen auf den Philippinien und 143 in Kanada. Die restlichen 210 Fälle verteilen sich auf insgesamt 25 weitere Länder. Neun Erkrankungsfälle (Reisende aus Endemiegebieten, sekundär eingeschleppt) werden aus Deutschland berichtet. Die WHO hat die Gebiete, in denen Ketten von Übertragungen beobachtet wurden, als betroffene Gebiete ("affected areas") bezeichnet. Die Endemiegebiete werden regelmäßig durch die WHO (sarsareas) aktualisiert.

Der genaue Mechanismus der Übertragung des infektiösen Agens bzw. von SARS ist derzeit unbekannt. Bislang ist die Übertragung jedoch auf enge Kontaktpersonen beschränkt gewesen, wie Haushaltsangehörige oder medizinisches Personal, so dass angenommen werden muss, dass die Übertragung durch Tröpfcheninfektion oder engem Kontakt erfolgt. Virusgenom wurde im Sputum, Bronchialsekret, Nasopharynxaspirat, Rachenspülwasser, im Stuhl und im Blut nachgewiesen. Die WHO geht von einer Inkubationszeit von etwa zwei bis zehn Tagen aus.

Wenngleich bislang nicht nachgewiesen ist, dass das neue, humanpathogene Coronavirus (Erreger von SARS) durch Blutkomponenten übertragbar ist, so ist doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein solcher Übertragungsweg als möglich anzunehmen, insbesondere da das Virusgenom mittels PCR im Blut nachgewiesen wurde. Das Virus ist nach Angaben der WHO nach 24 Stunden Lagerung noch infektiös und scheint insofern stabiler zu sein als andere respiratorische Viren. Die WHO empfiehlt derzeit vorsorglich, asymptomatische Spender, mindestens drei Wochen nach Verlassen eines Endemiegebietes von der Spende zurückzustellen. Das Paul-Ehrlich-Institut hält die in der Anhörung zu diesem Bescheid angekündigte Rückstellfrist von vier Wochen weiterhin für geboten, da über die möglichen Verläufe von SARS-Infektionen und Zeitpunkte und Dauer der Virämie noch keine sehr umfangreichen Erkenntnisse vorliegen. Die Endemiegebiete, von denen eine internationale Ausbreitung ausgeht, sind derzeit China, einschließlich Hong Kong, Singapur, und die Philippinen. Das PEI wird die Endemiegebiete regelmässig entsprechend der aktuellen epidemiologischen Datenlage aktualisieren. Die Information ist über die Homepage des Paul Ehrlich Instituts abrufbar.

Die beabsichtigte Maßnahme ist zur Risikovorsorge erforderlich, um weitestmöglich auszuschließen, dass von einem asymptomatischen Spender, der sich in einem Endemiegebiet aufgehalten hat und mit dem SARS-Erreger infiziert wurde, möglicherweise infektiöses Blut gewonnen wird.

Da der Bearbeitung der zur Erfüllung der Auflage erforderlichen Änderungsanzeigen derselbe Sachverhalt bzw. Verfahrensgegenstand zugrunde liegt wie diesem Auflagenbescheid, erscheint es sachgerecht und angemessen, die Gebührenerhebung auf eine der beiden Amtshandlungen zu beschränken. Dementsprechend werden Kosten nicht für diesen Auflagenbescheid sondern erst für die Bearbeitung der zur Erfüllung der Auflage erforderlichen Änderungsanzeigen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) PEI-KostVO erhoben werden.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger als bekannt gegeben.

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Straße 51-59, 63225 Langen, schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. .

Hinweis:

Die Umsetzung der Anordnung ist dem Paul-Ehrlich-Institut, sofern noch nicht geschehen, durch Änderungsanzeige gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) unverzüglich mitzuteilen. Falls der pharmazeutische Unternehmer eine Spenden-Stammdokumentation eingereicht hat und diese vom Paul-Ehrlich-Institut bestätigt wurde, kann die Änderungsanzeige für diese Stammdokumentation erfolgen.

Langen, den 21. Mai 2003

Paul-Ehrlich-Institut

- Bundesamt für Sera und Impfstoffe -

Prof. Dr. med. J. Löwer

Aktualisiert: 07.06.2003