Paul-Ehrlich-Institut

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Ab­wehr von Arz­nei­mit­tel­ri­si­ken; Tes­tung auf An­ti­kör­per ge­gen He­pa­ti­tis-B-Co­re-An­ti­gen (an­ti-HBc) im Blut­spen­de­we­sen (vom 08. Mai 2006)

Sie finden diese Bekanntmachung im Original im Bundesanzeiger Nr. 109 vom 13. Juni 2006, S. 4370 (neugefasst durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger BAnz AT 18.03.2014 B6)

Nach schriftlicher Anhörung der pharmazeutischen Unternehmer durch das Paul-Ehrlich-Institut mit Schreiben vom 15.03.2006 ergeht folgender

BESCHEID:

Zelluläre Blutkomponenten und gefrorene Frischplasmen (nachfolgend Blutkomponenten genannt) – ausgenommen virusinaktivierte Blutkomponenten –, die nach dem 30.09.2006 in den Verkehr gebracht werden, müssen aus Spenden hergestellt sein, die mit negativem Ergebnis auf Antikörper gegen Hepatitis B-Core-Antigen (anti-HBc) getestet wurden. Wenn eine solche Testung reaktiv ausfällt, ist eine Doppelbestimmung mit dem gleichen Testsystem durchzuführen. Wenn diese beiden weiteren Testungen ein eindeutig negatives Ergebnis erbringen, ist das gesamte Testergebnis als negativ anzusehen.

Eine Blutspende kann trotz wiederholt reaktiver anti-HBc-Ergebnisse zur Herstellung von Blutkomponenten verwendet werden, wenn eine weitere Testung auf Antikörper gegen Hepatitis-B-Surface-Antigen (anti-HBs) einen Titer von ≥100 IU/L ergibt und eine Testung auf HBV-Genome mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechnik (NAT; mit einer Mindestsensitivität ≤12 IU/ml, bezogen auf die Einzelspende) ein negatives Ergebnis erbringt. Bei der späteren Herstellung weiterer Blutkomponenten aus Spenden eines Spenders, der auf diese Weise trotz wiederholt reaktiver anti-HBc-Testung zur Spende zugelassen wurde, ist lediglich alle zwei Jahre eine Testung auf anti-HBs durchzuführen. Wenn sich hierbei ein Titer <100 IU/L ergibt, dürfen Spenden dieses Spenders nicht weiter zur Herstellung von Blutkomponenten verwendet werden.

Bei quarantänegelagerten Blutkomponenten, die vor dem 01.Oktober 2006 ohne Testung des Spenders auf anti-HBc in Quarantänelagerung genommen wurden, ist zu deren Freigabe eine Testung auf anti-HBc mit negativem Ergebnis an einer weiteren Spende desselben Spenders nach Ablauf der Quarantänelagerungszeit (siehe Bescheide des BGA vom 29.11.1993, BAnz. S. 10 770 und des Paul-Ehrlich-Instituts vom 27.02.2003, BAnz . S. 5 620) gemäß den o.g. Kriterien erforderlich. Erbringt diese Testung auf anti-HBc ein wiederholt reaktives Ergebnis, so können die quarantänegelagerten Blutkomponenten trotzdem freigegeben werden, wenn in einer Nachuntersuchungsprobe der (ursprünglichen) Spende und in der zur Freigabe erforderlichen Testung des Spenders nach Ablauf der Quarantänefrist ein ausreichender anti-HBs-Titer (siehe oben) und keine HBV-DNA (siehe oben) nachgewiesen werden. Ist diese Nachuntersuchungsprobe jedoch anti-HBc-negativ, so ist von einer zwischenzeitlichen Serokonversion auszugehen und die Blutkomponente darf nicht weiter zur Herstellung verwendet werden.

Eine Entscheidung über die Kosten wird gesondert getroffen.

Begründung:

Die Auflagen werden nach § 28 Abs. 3c AMG angeordnet und sind geboten, um das Risiko der Übertragung von Hepatitis-B-Viren (HBV) durch Transfusionen weiter zu vermindern. Bei Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten sowie gefrorenem Frischplasma, die keiner Inaktivierung unterzogen werden, besteht die Gefahr der Übertragung von HBV, wenn eine Infektion in der diagnostischen Fensterphase oder eine subklinisch verlaufende persistierende Infektion bei Blutspendern nicht mit der Testung auf HBsAg erkannt wird oder das Virus Mutationen aufweist, die von der HBsAg-Testung nicht erfasst werden können. (Gerlich WH: Diagnostic problems caused by HBsAgmutants - a consensus report of an expert meeting. Intervirology 2004; 47:310-313).

Es wird als Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis angesehen, dass eine zusätzliche Testung der Spender auf anti-HBc grundsätzlich geeignet ist, potentiell infektiöse Blutkomponenten zu erkennen, die durch den HBsAg-Test nicht erkannt werden und auch bei einer NAT-Untersuchung unauffällig wären, und so HBV- Übertragungen zu verhindern (Votum 31 des Arbeitskreises Blut vom 17.03.2005: Erhöhung der Sicherheit von zellulären Blutkomponenten und quarantänegelagertem Frischplasma durch Untersuchung der Blut- und Plasmaspenden auf Antikörper gegen das Hepatitis-B-Core-Antigen (Anti-HBc): Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2005; 48:698-699).

Auf Grund der oben dargelegten Erweiterung des Kenntnisstandes hinsichtlich der Nachweisbarkeit einer zurückliegenden Infektion bei HBsAg-negativen Spendern ist im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung die Einführung dieses Tests als weitere das Risiko einer Hepatitis B-Übertragung minimierende Maßnahme geboten.

Auch wenn die HBV-Infektion bei Patienten mit kompetentem Immunsystem selbst bei hoher Virusbelastung meist zur Ausheilung führt, werden auch fulminante und tödliche Verläufe durch Leberversagen beobachtet. Bei 5 - 10% der Patienten mit Hepatitis B kommt es zu einem chronischen Verlauf mit hoher Virämie. Bei Infektionen von Neugeborenen oder von immundefizienten Personen kommt es fast immer zur subklinisch persistierenden Infektion, die oft in das Bild einer chronischen Hepatitis übergeht und zur Leberzirrhose und zum Leberzellkarzinom führen kann.

Über das Restrisiko einer Infektion mit Hepatitis B durch die Transfusion mit Blutkomponenten liegen für Deutschland die Berechnungen des Berufsverbandes Deutscher Transfusionsmediziner von 1996 vor, die zur Abschätzung des Restrisikos für in der Frühphase einer HBV-Infektion gewonnene Spenden durchgeführt wurden. Hier wird das Restrisiko durch Blutkomponenten unter der Annahme einer mittleren Fensterphase von 56 Tagen auf 1:232.000 Bluttransfusionen geschätzt (Glück D, Kubanek B, Maurer C, Petersen N: Seroconversion of HIV, HCV, and HBV in blood donors in 1996 - Risk of virus transmission by blood products in Germany. Infusionsther Transfusionsmed 1998; 25:82-84). Auch in einer weiteren Arbeit mit Spenderdaten aus 1997 und 1998 wird das Restrisikos auf <1:200.000 geschätzt (Glück D: Risiko der HIV-, HCV- und HBV-Übertragung durch Blutpräparate. Infusionsther Transfusionsmed 1999; 26:335-338). Dies entspricht einem etwa 20-mal höheren Risiko verglichen mit HIV oder HCV, seit für diese Viren die NAT eingeführt wurde. Die Ursache hierfür wird zum einen in der diagnostischen Fensterphase gesehen, zum anderen in der Tatsache, dass es HBV-Varianten gibt, die durch die HBsAg-Testung nicht erkannt werden. Meldungen nach § 22 TFG an das Robert Koch-Institut aus den Jahren 2000-2002 zeigen, verglichen mit HIV und HCV, eine für HBV höhere Serokonversionsrate. (Offergeld R, Faensen D, Ritter S, Hamouda O: Human immunodeficiency virus, hepatitis C and hepatitis B infections among blood donors in Germany 2000-2002, the risk of virus transmission and the impact of NAT testing. Eurosurveillance 2005; 10(2):8-11).

Zusätzlich zu dem oben dargelegten Restrisiko einer Übertragung in der Fensterphase kann bei persistierend HBV-Infizierten eine auch mittels NAT-Testung nicht sicher erfassbare Virämie bestehen, bei der auch das HBsAg nicht nachweisbar ist. Ein großer Teil dieser Fälle kann jedoch durch die anti-HBc-Testung erfasst werden. Das Ausmaß des Nutzens der zusätzlichen anti-HBc-Testung wird in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedlich diskutiert. Zwischen 1995 und 1996 wurden von Allain et al. in einem Kollektiv von 103.869 britischen Spendern 2 Spender mit negativem HBsAg, aber reaktivem anti-HBc-Befund gefunden, die nachweislich 2 Empfänger infiziert hatten. Die Autoren stellten fest, dass durch eine HBV-NAT diese Spender nicht entdeckt worden wären (Allain JP, Hewitt PE, Tedder RS, Williamson LM: Evidence that anti-HBc but not HBV DNA testing may prevent some HBV transmission. Br J Haematol 1999; 107:186-95). Kleinmann et al. untersuchten an 5 Blutzentren in Kalifornien von 1991-1995 insgesamt 4,8 Millionen Blutspenden, von denen 40.998 anti-HBc wiederholt reaktiv getestet wurden (0,84%). Unter den anti-HBc wiederholt reaktiven Spenden waren vier positiv in der HBV-NAT (0,24%). Diese Spender würden nicht mit einer Minipool-NAT-Testung erkannt werden, da die Viruslast zu gering war (Kleinmann SH et al.: Frequency of HBV DNA detection in US blood donors testing positive for the presence of anti-HBc: implications for transfusion transmission and donor screening. Transfusion 2003; 43:696-704).

Aus Deutschland wurden von Roth et al. in der Zeit von 1997-2000 insgesamt 3,6 Millionen Spender untersucht. Es wurden in der Minipool-Testung (Nachweisgrenze bezogen auf die Einzelspende 1.000 Genomäquivalente/ml, entsprechend ca. 200 IU/ml) 6 HBV--Hepatitis B Virus positive, HBsAg negative Spender identifiziert, von denen 2 anti-HBc-negativ und 4 anti-HBc wiederholt reaktiv waren. Im Rückverfolgungsverfahren wurde festgestellt, dass ausgehend von HBsAg-negativen, Minipool-NAT-negativen, anti-HBc-wiederholt reaktiven und Einzel-NAT positiven Spendern 2 anti-HBc-reaktive Empfänger identifiziert wurden. Außerdem wurden von 729 randomisiert ausgesuchten HBsAg- und Minipool-NAT-negativen Spendern 7 anti- HBc wiederholt reaktiv gefunden, die in der Einzel-NAT <10 HBV Genomäquivalente/ml (entsprechend ca. <2 IU/ml) aufwiesen (Roth WK et al.: NAT for HBV and anti HBc testing increase blood safety. Transfusion 2002; 42:869-875). Die Ergebnisse belegen, dass eine anti-HBc-Testung auch bei Durchführung einer NAT-Testung im Minipool die Sicherheit von Blutkomponenten zusätzlich erhöhen würde.

Seit 01.01.1995 werden im PEI Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Blutprodukten registriert und bewertet. Seit dieser Zeit wurden dem PEI im Rahmen der Spontanerfassung insgesamt 57 HBV-Infektionen bei Empfängern von Blutkomponenten berichtet, bei denen der Kausalzusammenhang zur Transfusion als wahrscheinlich bzw. gesichert bewertet wurde. Die Bewertung erfolgte nach den Kriterien der WHO (Schosser R, Keller-Stanislawski B, Nübling CM, Löwer J: Causality assessment of suspected virus transmission by human plasma products: Transfusion 2001; 41:1020-1028), die durch das PEI für Blutkomponenten modifiziert wurden (Graul A, Keller-Stanislawski B: Hämovigilanz von Blutkomponenten: Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 1999; 42:143 -149). Allerdings ist die Anzahl von wahrscheinlichen Virusübertragungen bedingt durch die oft lange Latenz bis zur klinischen Erkennung und die bekanntermaßen niedrige Melderate von Ärzten selbst bei lebensbedrohlichen Nebenwirkungen mit einer hohen Dunkelziffer behaftet. Die Rückverfolgungsverfahren ergaben insgesamt 57 involvierte Spenden von 34 Spendern.

Von diesen 57 wahrscheinlich durch Bluttransfusion übertragenen HBV-Infektionen wären mindestens 9 verhindert worden, wenn der anti-HBc-Test als Suchtest verwendet worden wäre. 3 von diesen 9 in der Nachuntersuchungsprobe anti-HBc wiederholt reaktiven Spendern, wurden auch mittels NAT-Testung in der Nachuntersuchungsprobe positiv getestet, in einem dieser Fälle wurde die Übertragung durch einen Gensequenzvergleich gesichert. Bei weiteren 3 war kein HBV-Genom nachweisbar, bei den übrigen 3 war die NAT fraglich positiv. 3 der 9 Empfänger, bei denen die transfusionsvermittelte Infektion mittels anti-HBc-Testung hätte verhindert werden können, sind an fulminanter Hepatitis B verstorben.

In 11 der 57 Fälle war die Nachuntersuchungsprobe der Spende nicht anti-HBc-reaktiv. Davon waren 5 in der NAT positiv, drei allerdings mit einer HBV-DNA-Konzentration, die wahrscheinlich nicht in einer Minipool-Testung zu erkennen gewesen wäre. Diese Proben spiegeln vermutlich die frühe Phase der HBV-Infektion der Spender wieder. In 14 Fällen der oben dargestellten 57 Übertragungen wurde die Nachuntersuchungsprobe nicht auf anti-HBc untersucht. In einer Reihe anderer Fälle war zwar anti-HBc nachweisbar, es fehlten aber wichtige Informationen zur Interpretation. Somit hätten durch ein anti-HBc-Screening möglicherweise weitere Fälle verhindert werden können.

Die Auswertung der Übertragungsfälle zeigt im Einklang mit den oben diskutierten Daten aus der Literatur, dass eine Testung der Spenden auf HBV-DNA mittels NAT in Minipools die HBV-Übertragung sowohl in der Frühphase als auch in der chronischen Infektionsperiode (niedrig virämische Virusträger) aufgrund der sehr niedrigen Viruskonzentration im Blut in vielen Fällen nicht verhindern kann. Hingegen kann gefolgert werden, dass das Screening auf anti-HBc eine erhebliche Anzahl an Übertragungen verhindern kann.

Mit Schreiben vom 10.01.2005 trat das PEI mit Ihnen in einen Informationsaustausch, um Daten zur epidemiologischen Situation hinsichtlich HBV bei Blutspendern zu erhalten. Dabei wurden Erfahrungen zur zusätzlichen Testung über HBsAg hinaus (anti-HBc und HBV-NAT) abgefragt.

37 pharmazeutische Unternehmer gaben eine Stellungnahme ab. Die Ergebnisse sind allerdings schwer vergleichbar, da die anti-HBc-Testung an zum Teil sehr unterschiedlichen oder selektiven Spenderkollektiven vorgenommen wurde. Aus den eingereichten Daten konnten keine entscheidungsrelevanten Erkenntnisse gewonnen werden.

Somit war die vorliegende Anordnung zu treffen auf Grund der in der Spontanerfassung gemeldeten HBV-Übertragungen, die 3 Todesfälle durch fulminante Hepatitis B einschließen, die durch ein anti-HBc-Screening hätten verhindert werden können, und unterstützt durch Daten aus der Literatur.

Bezüglich der technischen Durchführbarkeit wurde bisher angezweifelt, dass die zur Verfügung stehenden anti-HBc-Testsysteme grundsätzlich eine ausreichende Spezifität besitzen. Damit aber anti-HBc-Tests, die in einigen europäischen Ländern bereits zum Screening von Blutspenden verwendet werden, CE-markiert werden können und somit eine „Marktzulassung“ erhalten, müssen sie die gleiche Spezifität aufweisen wie anti-HIV, anti-HCV und HBsAg-Screeningtests auch (mindestens 99,5%). Die Spezifität muss ebenfalls im Vergleich zu einem etablierten (CE-markierten) anti-HBc-Test an wenigstens 5.000 Blutspenden in zwei verschiedenen Blutspendezentren erprobt werden. Die Spenden müssen aufeinander folgen und Erstspender dürfen nicht ausgeschlossen werden.

Bei der Erprobung auftretende, voneinander abweichende Testergebnisse sind möglichst weitgehend aufzuklären. Da keine anti-HBc-Bestätigungstests verfügbar sind, geschieht dies in der Regel durch eine Untersuchung der abweichenden Probe in weiteren anti-HBc-Tests, durch die Verwendung eines weiteren HBV-Markers (z.B. HBc IgM, anti-HBs, anti-HBe) oder die Testung von Folgeproben.

Entgegen dem Einwand eines pharmazeutischen Unternehmers auf die Anhörung zu diesem Bescheid hat die Abklärung anti-HBc-reaktiver Ergebnisse zunächst in Doppelbestimmung im selben Testsystem zu erfolgen, wobei die Mehrheit der so erhaltenen Testergebnisse die vorläufige Bewertung bestimmt (reaktiv/nicht reaktiv).

Die Verwendung weiterer anti-HBc-Tests zur vermeintlichen Bestätigung des Markers ist nämlich kritisch zu interpretieren, da zwar eine Bestätigung eindeutig anti-HBc-reaktiver Proben (z.B. solche mit weiteren serologischen HBV-Markern) in der Regel kein Problem ist, allerdings erfahrungsgemäß Proben mit anti-HBc als einzigem serologischen HBV-Marker ("anti-HBc-only"), darunter auch solche mit Übertragungshistorie und/oder niedriger Konzentration an HBV-DNA, bisweilen in weiteren anti-HBc-Tests grenzwertig oder negativ reagieren.

Bei einer Diskussion im Paul-Ehrlich-Institut am 16.01.2006 zum vorliegenden Stufenplan und zum Votum 31 des AK Blut wurden von Vertretern der Blutspendeinstitute Zahlen vorgelegt, die zeigen, dass mit Einführung des anti-HBc-Screenings die initiale Rate an wiederholt anti-HBc-reaktiven Spendern um 3% liegen wird.

Bei anti-HBc handelt es sich um einen Parameter, der eine empfindliche Erfassung der Durchseuchung der Spender erlaubt. Da anti-HBc auch anzeigt, dass eine Hepatitis B durchgemacht wurde, und der Titer über einen langen Zeitraum nachweisbar bleibt, ist eine wiederholte Testung solcher Spender auf anti-HBc nicht erforderlich. Ein reaktiver anti-HBc-Befund ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Nachweis der Infektiosität einer Spende. Ein großer Teil dieser Personen hat nach einer durchgemachten Hepatitis B eine Immunität durch spezifische Antikörper (anti-HBs) erworben. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand erlaubt der Nachweis von anti-HBs mit einem Titer ³100 IU/L und eine negative Einzeltestung mittels HBV-NAT mit einer Nachweisgrenze von ≤12 IU/ml die Beurteilung, dass keine potentielle Infektiosität vorliegt (Stellungnahmen des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit: Hepatitis-B-Virus (HBV). Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 2000; 43:240-248 und Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), Bundesanzeiger 2005; 209a: 1-36). Daher ist es vertretbar, solche Spender weiter zur Spende zuzulassen, wobei der hohe anti-HBs-Titer auch durch eine Impfung erworben sein kann. Entgegen der Meinung eines pharmazeutischen Unternehmers wird es jedoch nicht als ausreichend angesehen, die HBV-NAT im Minipool (≤48 Spenden) durchzuführen, da derzeit nicht belegt ist, dass anti-HBc-reaktive Spenden mit nachweisbarem HBV (NAT-reaktiv) und einem anti-HBs-Titer ³100 IU/L nicht infektiös sind (Dreier J, Kröger M, Diekmann J, Götting C, Kleesiek K: Low-level viraemia of hepatitis B virus in an anti-HBc- and anti-HBs-positive blood donor. Transfusion Medicine 2004; 14:97-103/Reply 2005; 15:65-66).

Da der anti-HBs-Titer aber nach einiger Zeit abfallen kann und damit ein Schutz vor der potentiellen Infektiosität der Spende nicht mehr gegeben sein könnte, ist die Testung auf anti-HBs alle zwei Jahre zu wiederholen.

Die in diesem Bescheid getroffene Regelung für die weitere Spendefähigkeit trotz Feststellung wiederholt reaktiver anti-HBc-Ergebnisse ist zu unterscheiden von dem in den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), (Kapitel 2.2.1: Kriterien für einen Dauerausschluss) festgelegten Vorgehen hinsichtlich der erneuten Zulassung zur Spende nach durchgemachter Hepatitis B. Sofern der Zeitpunkt der HBV-Infektion bekannt ist oder durch Serokonversion nachgewiesen wurde, ist danach der Spender mindestens 5 Jahre zurückzustellen.

Nicht berücksichtigt werden können die Einwände eines pharmazeutischen Unternehmers, dass ein Mehrfachspender grundsätzlich auch dann zur Spende zuzulassen sei, wenn zwar der anti-HBs Titer auf <100 IU/L gesunken ist, aber der Spender mindestens achtmal auf HBsAg- und HBV-NAT im Minipool negativ getestet wurde, und eine alle zwei Jahre durchzuführende HBV-Einzel-NAT ein unauffälliges Ergebnis erbrachte, und kein Anhalt besteht, dass die von diesem Spender hergestellten Blutkomponenten je eine HBV übertragen haben.

Zwar sind in der medizinischen Literatur und in Berichten an das Paul-Ehrlich-Institut Fälle beschrieben, in denen anti-HBs-Titer <100 IU/L eine Immunität des Spenders zur Folge hatten. Gerade für die HBV-Infektion ist aber bekannt, dass eine Vielzahl an unterschiedlichen Verläufen bezüglich der Infektionsmarker, des Krankheitsbildes und der Infektiosität existiert, und dass das Virus auch ohne nachweisbare Virämie über Jahrzehnte persistieren kann (Rehermann B et al: The hepatitis B virus persists for decades after patients’ recovery from acute viral hepatitis despite active maintenance of a cytotoxic T-lymphocyte response. Nature Medicine, 1996; 2:1104-1108). Es ist nicht möglich, für alle zu erwartenden Befundkonstellationen eine spezifizierte Auflage anzuordnen. Bei der konkret vorgeschlagenen Änderung ist nicht auszuschließen, wie der pharmazeutische Unternehmer selbst einräumt, dass infektiöse Spenden zu Blutkomponenten verarbeitet werden, auch wenn das ein extrem seltenes Ereignis sein dürfte. Darüber hinaus ergäbe sich durch eine solche Maßnahme eine Diskrepanz zum Kapitel 2.2.1 der Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), in denen ebenfalls ein Grenzwert ≥100 IU/L von anti-HBs für eine sichere Immunität des Spenders angesehen wird.

Die beabsichtigte Anordnung der anti-HBc-Testung im Blutspendewesen ist vor dem Hintergrund des derzeitigen Kenntnisstandes, den technischen Möglichkeiten und der pharmazeutischen und ärztlichen Verantwortung geboten, da HBV-Übertragungen hierdurch verhindert werden können. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Die Erfahrungen der Anwender zeigen, dass die anti-HBc-Testung auch in größerem Umfang zur Testung von Blutspenden routinemäßig angewendet werden kann.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger als bekannt gegeben.
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Straße 51 - 59, 63225 Langen, schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben.

Hinweis:

Die Umsetzung der Anordnung ist dem Paul-Ehrlich-Institut, sofern noch nicht geschehen, durch Änderungsanzeige gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) unverzüglich mitzuteilen. Falls der pharmazeutische Unternehmer eine Spenden-Stammdokumentation eingereicht hat und diese vom Paul-Ehrlich-Institut bestätigt wurde, kann die Änderungsanzeige für diese Stammdokumentation erfolgen.

Langen, den 08. Mai 2006

Paul-Ehrlich-Institut

- Bundesamt für Sera und Impfstoffe -

Prof. Dr. med. J. Löwer

Aktualisiert: 08.08.2007